Dienstag, 27. Mai 2008

Anonymität advanced

Vor einiger Zeit, genaugenommen im Januar, hatte ich noch ein bisschen ein schlechtes Gewissen, dass ich mich nicht bei meinen Nachbarn vorgestellt hatte, nachdem ich meine neue Wohnung bezogen hatte - im November davor.
Das ließ aber irgendwann nach und auch das latent unangenehme Gefühl, das mich beschlich, wenn ich von ganz oben im Haus, wo ich nun mal wohne, nach ganz unten ging (oder umgekehrt) und sich also die Möglichkeit ergab, einem irgendwo dazwischen wohnenden Nachbarn zu begegnen. Kam auch selten vor. Und irgendwann war ich auch der Überzeugung, dass die anderen Mitbewohner ihre Ruhe ähnlich schätzten wie ich und gar keinen Wert darauf legten, dass jemand vor der Tür stand um mal eben Hallo zu sagen.

Zu dieser Überzeugung trug bei, dass ich es immerhin im Februar schaffte, mich wenigstens meinem direkten Nachbarn von nebenan vorzustellen, als wir vor der Tür mal fast zusammenstießen. Ich reichte ihm die Hand und lächelte und faselte was von "noch gar nicht dazu gekommen mich vorzustellen", er brabbelte nur seinen Namen und drehte sich in Gleichgültigkeit um und war weg.

So gingen ruhige Tage ins Land und ich verschwendete keinen Gedanken mehr daran.
Bis es gestern abend an meiner Tür klingete und mein Nachbar von nebenan vor mir stand und die Worte sagte: "Hallo, mein Name ist (...), ich hab mich ja noch gar nicht vorgestellt, tut mir leid. Eine Frage, hätten Sie ein Telefon das Sie mir leihen könnten?"

Das nenne ich mal Anonymität - wenn man sich gar nicht mal mehr vorstellen muss, geschweige denn sich Gedanken darüber machen, da man sowieso wieder vergessen wird. Vielleicht entwickelt sich zwischen meinem Nachbarn und mir eine interessante "Und monatlich stellt sich das Murmeltier vor"-Geschichte.

Und überhaupt - kann der sich nicht eine Tasse Zucker borgen wie jeder andere normale Nachbar, muss es gleich ein Telefon sein?

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