Freitag, 26. August 2011

Das Unmündigkeits-Mem

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Im Zuge der Umgestaltung unserer Büroräume, haben wir auch neue sanitäre Anlagen erhalten. Ganz schicke, eckige Waschbecken mit Wasserhähnen um die je nach eingestellter Wassertemperatur ein Ring leuchtet. Rot bei heißem Wasser, blau bei kaltem und konsequenterweise rosa wenn das Wasser warm ist. Diese Wasserhähne haben Bewegungsmelder, reagieren also, wenn man die Hände (oder sonst was) drunter hält. Man muss dann nach dem Händewaschen nicht mehr mit sauberen Händen den sicher ganz schlimm verpilzten, bakteriell verseuchten Hahn zudrehen (den aber ja ohnehin nie jeamnd anfaßt). Es ist nicht so, dass ich diese Wasserhähne nicht kennen würde. Aber ich hatte sie bisher nicht im Alltag, ich hatte sie nicht verinnerlicht. Nun, da ich mir mehrmals täglich fünf Tage die Woche die Hände unter solchen Hähnen wasche, habe ich mich sehr an sie gewöhnt. Zu sehr.

Denn so verhält es sich mit Dingen, die dem Menschen Handgriffe oder Denkprozesse abnehmen:
Sie verunselbständigen den Menschen und lassen ihn leicht verdummen. Man merkt sich keine Nummern mehr, denn sie sind alle im Handy. Man muss nicht mehr den Blick für die Parklücke haben, denn man hat ja die Einparkhilfe. Inzwischen gibt es sogar Autos, die per Knopfdruck selbständig einparken. Hände weg vom Lenkrad und los.
Apropos Hände. Ich fange an unter sämtlichen Wasserhähnen rumzuwedeln und gucke dann dumm aus der Wäsche, wenn nichts passiert. Zwar nur für eine hundertstel Sekunde, bis ich registriere: ich muss was tun, damit Wasser kommt, drehen oder hebeln oder vielleicht auch ein Fußpedal treten. Aber selbst diese hundertstel Sekunde schafft es, dass ich mir sehr blöd vorkomme.

Bis ich alt bin ist es sicher soweit, dass man seine Hände und seinen Verstand gar nicht mehr benutzen muss. Dann werde ich froh darüber sein. Dann rufe ich meinen Rollator, der sich vor meinem Sessel in die richtige Position rollt, während meinen Sessel mich auf einen Fingerzeig hin bereits paßgenau in den Stand hieft. Und dann ab zum Bingo.
Aber altert man nicht vielleicht schneller, wenn man sich nicht mehr "bemühen" muss?
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