Sonntag, 26. August 2018

Archivbashingszene 5

Ein wortwörtlich zu nehmendes Archivbashing gibt es in dem Film Illuminati (Angels & Demons). Tom Hanks alias Robert Langdon schießt erst um sich und verwüstet schließlich einen Teil der Geheimarchive des Vatikans.

Ich hatte zwar aus Gründen von Platzmangel auch ab und an mal den Gedanken ans Feuerzeug. Eine Art Bücherverbrennung wäre jedoch Häresie im Hinblick auf die Archivarsberufung und wenn ich dabei noch selbst dran glauben müsste (ha ha), wäre das fast ein Auto-Autodafé. Wobei letztendlich nicht das Feuer, sondern die Löschung desselben das Unangenehme wäre.

Denn wie bereits erwähnt: Feuer im Archiv > Türen schließen automatisch > Argonlöschgas übernimmt > qualvolles Ableben. Feuerzeug ist also keine gute Idee. 
Robert Langdon allerdings randaliert im Archiv aus besserem Grund. Er ist darin gefangen und die Luft wird knapp…

Illuminati wurde selbstverständlich nicht in den echten Geheimarchiven des Vatikans gedreht. Es wurde überhaupt nicht im Vatikan gedreht, denn dort war man der Ansicht, der Film sei "ein Verstoß gegen Gott" und man verweigerte deshalb die Dreharbeiten sowohl im Vatikan als auch in den katholischen Kirchen Roms. Es wurde für den Film alles computergeneriert oder nachgebaut.
In welchem echten Archivumfeld das Filmteam um Regisseur Ron Howard gedreht hat oder nach welchen Ideen sie das im Film zu sehende vatikanische Archiv rekonstruiert haben, dazu lässt sich leider nichts finden. Zwar stehen die Archive des Vatikans zumindest teilweise bestimmten Forschern offen, aber es ist nicht anzunehmen, dass diese als Informanten dienten. Gäbe es tatsächlich jene luftdichten Archiv-Kammern mit Unterdruck, deren Betreten im Film als lebensgefährlich dargestellt wird, kämen die Nutzer da ohnehin nicht rein. Die bleiben im Leseraum.


Es wurde bei der Rekonstruktion des Archivs vielmehr reichlich übertrieben.
Die im Film zu sehenden, versiegelten Archiv-Kammern befinden sich in einem "Teilvakuum", d.h. sie haben niedrigen Luftdruck. Sowas kommt in wissenschaftlichen Laboratorien zum Einsatz, bei denen das Ziel darin besteht, das Austreten von Schadstoffen zu verhindern, da der niedrige Druck einen konstanten Luftstrom in den Raum sicherstellt, den nach außen aber nur kontrolliert ableitet. In Archiven kommt sowas nicht zum Einsatz. Da ist eher verunreinigte Außenluft das Problem.


Während Robert Langdon in einer anderen Szene noch, wie es sich gehört, mit weißen Archivhandschuhen arbeitet und entsetzt über den vandalistischen Einsatz seiner Mitstreiterin reagiert, lässt er in der Archivbashingszene keine Zurückhaltung mehr erkennen. Er versucht mit allen Mitteln, aus dem unwirtlichen Hightech-Archivraum zu gelangen und es ist nachvollziehbar, dass sein Augenmerk dabei nicht darauf liegt, die Dokumente zu schonen. Ein bisschen weh tut einem der Anblick des notgedrungenen Wütens dennoch:

Sonntag, 12. August 2018

Archivbashingszene 4

Und schon komme ich aus dem Konzept... Denn der Film, auf dessen Archivszene ich im folgenden hinweisen möchte, enthält eigentlich nicht wirklich eine Verunglimpfung des Archivs. Blogtitel hält also nicht was er verspricht. Und der Filmtitel hält genaugenommen auch nicht, was er verspricht. "The secret life of Walter Mitty" lautet eine Kurzgeschichte von James Thurber von 1939. Der gleichnamige Film von und mit Ben Stiller von 2013 ist aber von dieser Kurzgeschichte lediglich inspiriert und verfolgt einen ganz eigenen Plot. Nichtsdestotrotz ist er recht nett. Und nicht nur wegen der Wertschätzung, die der Archivar hier am Ende erfährt.
Es ist ja bereits eine Wertschätzung, dass es in dem Film tatsächlich um einen Archivar geht, um jemanden, der also freiwillig und freudig in einem Archiv arbeitet und nicht dorthin strafversetzt wurde. Aber natürlich wird er von seinem Vorgesetzten trotzdem nicht nett behandelt und interessiert sich dieser nicht dafür, was die Arbeit des Archivars ausmacht.

Genau deshalb musste ich nun wieder an den Film denken. Denn mein eigenes Archiv wurde in der vergangenen Woche auditiert (durch eine bekannte Prüforganisation zur Qualitätszertifizierung von Managementsystemen). Die Qualität eines Archivs zeichnet sich dadurch aus, dass die Dokumentation sinnvoll erschlossen und Wiederauffindbarkeit gewährleistet ist, dass durch Kontextualisierung und Einordnung gesuchte Informationen verfügbar gemacht werden.
Interessiert hat sich der Auditor allerdings ausschließlich für die Klimawerte, die korrekte Aufstellung der Schädlingsfallen sowie die Wirkung des Edelgases, das im schlimmsten Falle aus der Löschanlage strömt. (Ich habe zuvor 30 Sekunden, um das Archiv zu verlassen.) Alles auch wichtig, keine Frage (vor allem letzteres). Der Auditor war beeindruckt. Er wäre das aber ebenso gewesen, wenn sämtliche Kartons leer oder absurd beschriftet gewesen wären und im falschen Regal gestanden hätten. Hat er nicht geprüft. Kann mir eigentlich egal sein, denn es gab kein Finding. Es wurde aber weniger die Qualität des Archivmanagements geprüft, als die der Archivräumlichkeiten.

Immerhin sehen auch die Archivräumlichkeiten in "The secret life of Walter Mitty" aus, wie sie im richtigen Leben häufig ausschauen. Hier also ebenfalls keine Verunglimpfung à Kellerloch. Immerhin geht es im Film um das Archiv des LIFE Magazines und das wird selbstverständlich nicht herabwürdigend dargestellt.



Das Beste aber kommt zum Schluss. Wenn schon nicht durch den Vorgesetzten, so doch immerhin durch den Starfotografen des Magazins erhält der stark tagträumende Walter Mitty den Ritterschlag für die Qualität seiner Arbeit. Dieser Fotograf, der permanent die ganze Welt bereist und ablichtet - und dem Walter im Laufe des Films um die ganze Welt folgt, wobei er zu sich selbst und zunehmend in die Realität findet - dieser Fotograf darf nämlich entscheiden, welches Bild auf das Cover der letzten Printausgabe des LIFE Magazines kommen soll. Und er wählt jenes Bild, das er für sein Bestes hält:
 

Nun, der Vergleich mag hinken... Ich arbeite nicht im Archiv des LIFE Magazines und der Auditor hatte auch keine Ähnlichkeit mit Sean Penn. Und da ich, im Gegensatz zu Walter Mitty, nur geringfügig zu maladaptive daydreaming neige, werde ich das Ganze realistisch betrachten müssen: Hauptsache keine Schabe im Archiv.