Samstag, 5. Januar 2019

25 in 18


Ein glückliches, gesundes Jahr 2019 wünsche ich Euch allen!
Und wie immer folgt auf diesen Satz der Rückblick auf das vergangene Lesejahr...

..., das ein ganz hervorragendes war. Und ich meine damit nicht die Anzahl der Bücher, die ich gelesen habe, auch wenn es so viele wie lange nicht waren. Die Anzahl sagt aber ja nichts aus, auf die Dicke kommt es an, auf die Komplexität der Sprache, auf den Lesestoff, der noch nebenher konsumiert wird etc. Daher bin ich eigentlich selbst nicht angetan von dem Überschriftenschema, das ich den Jahresrückblicken hier einst habe angedeihen lassen. Aber ich bin offensichtlich auch zu philiströs, um nun noch etwas daran zu ändern. Nein, das Lesejahr 2018 war so hervorragend, weil die guten Bücher nicht nur überwogen, sondern sogar überragende Werke dabei waren.

Hier die komplette Liste.
Wen mein persönliches Empfinden zu den Büchern interessiert, darf gerne etwas weiter unten weiterlesen. Das Ranking der Top 3 erfolgt ganz unten.

Kristof Magnusson - Gebrauchsanweisung für Island
Alasdair Gray - Lanark (BC)
Elizabeth Strout - Olive Kitteridge

Anthony Burgess - A Clockwork Orange (BC)
Irene Hunt - The Lottery Rose (BC)
Siri Hustvedt - Was ich liebte
Ted Kosmatka - The Flicker Men (BC)
Jón Kalman Stefánsson - Sommerlicht, und dann kommt die Nacht

Donald Ray Pollock - The heavenly table
Halldór Laxness - The atom station
Sarah Bakewell - At the Existentialist Café (BC)
Franz Kafka - Amerika

Albert Camus - Der Fremde
Ali Smith - Autumn (BC)
Helen DeWitt - The last samurai (BC)
John Green - Turtles all the way down (BC)
Sharon Creech - Walk two moons (BC)
Carson McCullers - The heart is a lonely hunter
Khaled Hosseini - The kite runner (BC)
Christopher Isherwood - Good-bye to Berlin
Ian McEwan - The Children Act

Jeff VanderMeer - Borne (BC)
Julian Barnes - The sense of an ending (BC)
Tom Hillenbrand - Drohnenland
Tayeb Salih - Season of migration to the north (BC)


Alasdair Gray - Lanark
Fantastisch bis surrealistisch, stark dystopisch. Während des Lesens dachte ich oft, das sei nichts für mich. Dann wieder war es faszinierend und fesselnd. Man kann das Buch nicht so allgemein empfehlen, es ist recht speziell und wird für die wenigsten etwas sein. Mir hat es sich trotz gelegentlichen Widerwillens eingeprägt und nachwirkend, quasi im Abgang, hat es immer mehr meine Zuneigung gewonnen.
 
Elizabeth Strout - Olive Kitteridge

Nach "Lucy Barton" im letzten Jahr wollte ich mehr von der großartigen Art, wie Menschen mit so wenigen Worten so gut gezeichnet werden können. Und "Olive" war dahingehend noch ergiebiger. Sehr schön. Auch nett ist die Verfilmung mit Frances McDormand in der Hauptrolle (Mini-Serie). 

Anthony Burgess - Clockwork Orange
Wollte ich nicht lesen, weil ich den Film so grausam in Erinnerung hatte. Aber dann fand ich das Buch toll, allein schon die eigene Jugendsprache, die Burgess für den Roman geschaffen hat (Nadsat), hat mich hingerissen. Itty to the Biblio, put on your otchkies and viddy it out.

Irene Hunt - The Lottery Rose
Nettes Buch für Jugendliche, leider etwas vorhersehbar und kitschig. Hat mich ständig an was erinnert und dann kam ich drauf: Douglas-Sirk-Filme. 

Siri Hustvedt - Was ich liebte
Ich liebte einst ein Buch von Hustvedt (Der Sommer ohne Männer). Dieses hier leider nicht so. Zu gewollt sophisticated.
 

Ted Kosmatka - Flicker men
Sci-Fi-B-Movie zum Lesen, unterhaltsam aber kein großer Wurf. Immerhin lernt man ein bißchen was über Physik. 

Jón Kalman Stefánsson - Sommerlicht, und dann kommt die Nacht
Angenehme Lektüre zur Einstimmung auf den Island-Urlaub. Sehr nett. 

Donald Ray Pollock - The heavenly table
Das Buch würde ich gerne von den Coen Brüdern als Serie umgesetzt sehen. Rau, manchmal eklig, menschlich, manchmal hoffnungsvoll. Gut. 

Halldór Laxness - The atom station
Eigenwillige, gewöhnungsbedürftige, aber liebenswürdige Schreibe. Nicht zu vergessen: eine Übersetzung. Die Geschichte und die beeindruckende Hauptfigur Ugla nehmen einen für sich ein. Mir hat's gefallen. Nicht nur wegen Island, aber auch.

Sarah Bakewell - At the Existentialist Café
Sachbuch, nein ein Doku-Roman, nein ein Existentialismus-Nachschlagewerk. Spannend, anspruchsvoll, witzig, lehrreich.

Franz Kafka - Amerika
"Sehr schräg" zu sagen ist wohl überflüssig, es ist Kafka! Man wird so nah ran geholt, als würde man in einen fremden Traum eintreten. Es zieht einen in seinen Bann, blöderweise blieb es unvollendet.  

Albert Camus - Der Fremde
Erneut gelesen, konnte mich nicht mehr erinnern, war lang her. Die Geschichte hinterläßt ein Gefühl von Kälte und Hitze gleichzeitig. Interessant was die Emotionslosigkeit des Protagonisten für Emotionen beim Leser auszulösen vermag. 

Ali Smith - Autumn
Schwierig für Nicht-Briten, weil ein hohes Maß an landesspezifischem Kulturgeschichtswissen vorausgesetzt wird. Aber es sind gute Gedanken und gute Sätze darin. Zwar kein Favorit, aber bewegend. 

Helen DeWitt - The last samurai
Der Favorit kommt hier. Großartig! Intelligent, gehaltvoll, witzig und gezielt mäandernd. Hochbegabte, komplizierte Mutter erzieht allein ein liebenswürdiges, anstrengendes (weil chronisch unterfordertes) Wunderkind, das herausfinden will, wer sein Vater ist und deshalb ein paar durchprobiert. Vorher "Seven Samurai" von Kurosawa ansehen. Für Film wie Buch braucht man jedoch einen langen Atem. Vor allem für Sprachinteressierte klar empfehlenswert.
 
John Green - Turtles all the way down
Nettes Jugendbuch, geht auch für Erwachsene noch. Ein Buch über Freundschaft und Akzeptanz. Coming of Age. OK. 

Sharon Creech - Walk two moons
Noch ein Jugendbuch und ein Roadmovie. Für die Adoleszenz angemessen anspruchsvoll. Charmant. 

Carson McCullers - The heart is a lonely hunter
Wollte ich schon lange lesen und jetzt, da ich es gelesen habe, es auch nicht bereut. Hatte manchmal ein paar Längen, aber ein tolles, reifes Buch. Wenn man das erstaunlich junge Alter der Autorin bedenkt ist nahezu unfassbar, mit welcher Empathie die sehr unterschiedlichen Charaktere und deren Lebensschmerz vermittelt werden.

Khaled Hosseini - The kite runner
Hat viel gutes, aber leider auch viel, was einem das Gute verdirbt. Mir war die Vater-Sohn- sowie die Freundschafts-Story zu unüberzeugend, Schwarz-Weiß-Malerei in Manier einer Seifenoper, was dem Hintergrund der Story (politische Umbrüche in Afghanistan, Not und Elend unter der Taliban) nicht angemessen ist. Mußte öfter mit den Augen rollen und war erstaunt, dass es allgemein so hochgelobt ist. 

Christopher Isherwood - Good-bye to Berlin
Wollte ich ebenfalls schon ganz lange lesen. Bevor ich mich nun anschickte, Cabaret im Theater zu sehen, endlich auch gemacht. Das Berlin der 30er Jahre wird in diesen autobiografischen Geschichten brilliant heraufbeschworen. Schön geschrieben obendrein. Anfangs irgendwie entschleunigt, aber dann erstarkt der Nationalsozialimus und alles erhält eine andere, bedrohliche Färbung. Ein zeitgeschichtliches Dokument nach meinem Archivarinnengeschmack. 

Ian McEwan - The Children Act
Ich sage es erneut: Ein McEwan pro Jahr sollte drin sein. Dieser hier war nicht so vereinnahmend wie manch anderer, aber immer noch gut. Allein die Szenen einer Ehe, die subtile oder direkte Art der Kommunikation, sind schmerzhaft wahrhaftig. 

Jeff VanderMeer - Borne
Zu Beginn hätte ich nicht erwartet, dass ich das Buch mögen würde. Zwar muss ich nicht unbedingt mehr davon haben, aber auch wenn literarisch nicht wirklich vergleichbar, hinterläßt die hier beschriebene Dystopie ähnlichen Eindruck wie die Graysche (Lanark). Schräg und brutal (flugfähiger, haushoher Monsterbär, amorphe Biotech-Wesen, Alkoholgenuss in Form von Fischsnacks), aber auch philosophisch (Was macht eine Person zu einer Person?) Zudem gut geschrieben. 

Julian Barnes - The sense of an ending
Habe ich nachgeholt, weil letztes Jahr im Book Club verpaßt. Hat sich gelohnt. Auch wenn einige Fragen offen geblieben sind und Ereignisse interpretationsfähig bleiben. Auch wenn es mich - mehr als ohnehin bereits - an der Wahrheit der eigenen Erinnerungen zweifeln ließ. Vielleicht ist nicht beendet, was man abgeschlossen glaubt. Sehr gut.

Tom Hillenbrand - Drohnenland 
Das Buch bietet prophezeiende Zukunftsszenarien und die Antizipation von technischen Möglichkeiten in plausiblem Sci-Fi-Kolorit. Dennoch: Fast hätte ich es abgebrochen. Zu häufig mußte ich mit den Augen rollen (was das Lesen erschwert), wenn der coole Kommissar in Action zu cool war und die natürlich rattenscharfen Analystinnen zu dauerhaft rattenscharf waren. Aber es steigerte sich doch noch und wurde ganz unterhaltsam. Habe durchgehalten, muss ich aber nicht wiederholen (den Autor). 

Tayeb Salih - Season of migration to the north
Spannende Schreibweise. Hätte den Erzähler manchmal gern geschüttelt, damit er endlich mit der Sprache rausrückt. Am Ende gibt es jedoch zu vielen der sukzessive gegeben Hinweise gar keine Auflösung, was letztendlich irgendwie unbefriedigend ist und etwas ungelenk wirkt. Wären die Fäden mehr zusammengelaufen, hätte es mir besser gefallen. Dennoch lesenswert, allein wegen des Zeitgeists.

 
Ich wiederhole mich, denn es ist wie immer: Das Ranking ist nicht einfach.
Kann mich zwischen Platz 2 und 3 schon kaum in der Reihenfolge entscheiden und verstehe irgendwie selbst nicht, wo McCullers und Burgess abgeblieben sind... Ich habe danach entschieden, welche Bücher ich am anregendsten fand:
 
1. Helen DeWitt - The last samurai

2. Julian Barnes - Sense of an ending
3. Christopher Isherwood - Good-bye to Berlin 


Und weiter geht's. Frohes neues Lesejahr!

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