Dienstag, 10. Dezember 2019

FOFLs Neunte

Verzeiht, es ist Vorweihnachtszeit, und was fehlt ist Zeit. Dem FOFL wurde ausreichend davon gegeben, benachteiligt wird das Resümee. Dem kommt allerdings entgegen, dass die meisten Lieder dieses Mal recht selbsterklärend waren und wir uns gar nicht die Köpfe heiß diskutiert haben. Oder wir kommen inzwischen ohne viel Gefofl zur Sache, teilen eine foflige Harmonie und verstehen uns ohne viele FOFL-Worte! Das ist auch schön, aber ich glaube, für das nächste Treffen werde ich lieber mal ein paar harte FOFL-Nüsse auswählen - für fieberhaftes FOFL-Fabulieren oder einen fetten FOFL-Fight!

Hier sind die Beiträge von FOFLs neunter Ausgabe:


The Who - Christmas (Tommy, 1969)
Ein bisschen Weihnachten muss sein. Nicht nur beim FOFL, sondern wohl auch auf dem Tommy-Album von The Who. Das Album stellte bei Erscheinen einen Kontrast zu dem bisherigen Musikstil der Band dar und es wirkt ein wenig, als hätte man mit dem Unterbringen eines Weihnachtssongs sichergehen wollen, dass es gut angenommen wird. Weihnachten geht immer. Und ist ein geeigneter Träger für etwas Drama. Wie soll ein taubblinder Junge wissen, was Weihnachten ist? Eigentlich denkt man, man kennt sämtliche Weihnachtspopsongs (was nicht unbedingt von Vorteil ist), aber dieser läuft nicht gerade in der Dezember-Radio-Dauerschleife. Ist wohl doch zu sperrig für das öffentliche Erzeugen von Weihnachtsstimmung. Beachtlich: Der Song vereint beide bekannten Hauptlei(d)themen des Musicals.

And Tommy doesn‘t know what day is
He doesn‘t know who Jesus was
or what praying is.
How can he be saved from the eternal grave?
Tommy can you hear me? Can you hear me?
How can he be saved?
See me, feel me, touch me, heal me!


Glen Campbell – Wichita Lineman (1968)

Der gemächliche Countrysong zeichnet das Bild eines Mannes mit vom Aussterben bedrohtem Beruf. Ein Fernmeldefreileitungsmonteur (kurz: lineman), allein auf weiter Flur, träumt von einer Auszeit und seiner Liebsten. Beim Hören sieht man eine endlose Reihe von Telefonmasten vor sich, dazwischen ein einzelner Mann, allein, aber verkabelt mit der Welt. Die wenigen Zeilen zeichnen ein eindringliches, schönes Bild sowohl der Einsamkeit als auch der Stetigkeit.
Das Rolling Stone Magazine listet den Song übrigens auf Platz 195 der "500 Greatest Songs of All Time". Er wurde vielfach gecovert und auch wir haben ihn uns in zwei Versionen angehört. In beiden wird sehr schön das (ebenfalls ausgestorbene) Geräusch eines Telegrafen imitiert. Original im Titel-Link, herrliches Cover hier: Elbow Lineman Cover


I am a lineman for the county
And I drive the main roads
Searching in the sun for another overload
I hear you singing in the wires
I can hear you through the whine
And the Wichita lineman
Is still on the line


Harry Nilsson – Gotta get up (1971)

Dieser Song verdankt sein Comeback Netflix. Wenn man es denn ein Comeback nennen will, aber ich glaube, dass das Lied kaum jemand U45 kennen würde, wäre es nicht prominent in der Serie „Matroschka – Russian Doll“ eingesetzt worden. Nicht nur die Serie lässt sich sehen, auch das Lied lässt sich hören. Es beweist Humor in sowohl Melodie als auch Text und hat Potenzial zum Ohrwurm. Es waren glückliche Zeiten früher, als man nicht ans Erwachsenwerden dachte und nicht ständig ans Telefon musste (!), als man nicht von Termin zu Termin hetzte, sondern noch in Ruhe bis viertel vor zehn (morgens wahrscheinlich) feiern konnte.

There was a time when we could dance until a quarter to ten
We never thought it would end then, we never thought it would end
We used to carry on and drink and do the rock and roll
We never thought we‘d get older, we never thought it‘d grow cold, but now
Gotta get up, gotta get out, gotta get home before the morning comes
What if I‘m late, gotta big date, gotta get home before the sun comes up


John K. Samson – Vampire Alberta Blues (2016)

Wer ist der Vampire Alberta? An wen richtet sich die Kritk dieses offensichtlich kritischen Songs? Immerhin bei einem Lied gab es dann doch ein paar FOFL-Fragezeichen. Wir vermuteten: Die Anklage richtet sich an einen bestimmten Typus , der einem in der kanadischen Provinz begegnet, ähnlich wie man in Frankfurts Norden eben auf den Typus Nordend-Mutti trifft. Nur dass es hier um mehr geht; um Öl statt um Latte Macchiato, um Scheinheiligkeit statt um Ignoranz. Der Hummer ist allerdings gleich. Eine Recherche ergab: Der Protest richtet sich gegen den kanadischen Energiekonzern Alberta Energy, aber auch gegen die Gesellschaft, die Rohstoffe ähnlich verbraucht wie ein Alkoholiker seiner Sucht nachgibt.

The Vampire Alberta wipes an oily mouth along a sleeve
Of forest in the foothills
The Vampire Alberta drools a perfect inky tailing pond and shakes awake
The Vampire Alberta lifts a nearly empty glass and pleads
“I need another one of these, so keep ‘em coming”
Good times are coming


The Waitresses – Christmas Wrapping (1982)

Im längsten Text des Abends wird eine kleine Geschichte erzählt, eine Weihnachtsgeschichte noch dazu. Aus der Perspektive einer jungen Frau folgen wir einer klassischen Situation von zwei Königskindern, die das ganze Jahr über wegen diverser Verhinderungen nicht zusammenkommen, bis dann das Weihnachtswunder geschieht und das Mädchen doch noch ihr “perfect gift” erhält. Das “Wrapping” im Titel bezieht sich allerdings eher auf den damaligen Trend der 80er, sich auch mal im Rappen zu versuchen, ob man es kann oder nicht, ähnlich wie Blondie das einst im wesentlich bekannteren “Rapture” tat. Von den Waitresses kennt man außer diesem Song nicht viel, es gab die Band auch nur drei Jahre.
 

Ski shop encounter, most interesting
had his number but never the time.
Most of ‘81 passed along those lines.
So deck those halls, trim those trees,
raise up cups of Christmas cheer.
I just need to catch my breath,
Christmas by myself this year.


Herman Düne – Life on the run (2018)

Auch dieser Interpret dürfte eher unbekannt sein – noch. Er stammt aus Frankreich, ist marokkanischer und schwedischer Abstammung und macht DIY-Musik. Und zwar von Kalifornien aus. Bevor er sich dort niederließ, fühlte er sowohl sich als auch seine Fähigkeit zu schreiben von der Sesshaftigkeit erstickt und konnte nur frei atmen, wenn er in Bewegung blieb. Dieses Gefühl beschreibt er in diesem Lied, das einen schönen Kontrast zum oben genannten “Wichita Lineman” bildet. Tatsächlich enthält es allerdings ebenfalls Country-Stilelemente.

I dig The Beatles and I dig the Blues, The Moldy Peaches and The Silver Jews,
I can never imagine what my life would be if I hadn’t always had Bob Dylan with me.
I mean everything he wrote, man I’m strung out on heroes
My friend Jeff Lewis says songs about songwriting suck
so I won’t even mention the writer’s block I go through sometimes
See I can’t settle down, I go crazy when I stay in town
I only come to life on the run
Put me on a boat man, on a horse or on a goat man
and in the morning I’ll be gone


Pete Seeger – Little Boxes (1964)

Noch ein Lied das heutzutage viele hauptsächlich für seine Verwendung in einer Fernsehserie kennen dürften. Und wie es verwendet wurde! Seine Bekanntheit kann man allerdings nicht allein „Weeds“ anlasten, aber ein kleines Comeback war es trotzdem. Geschrieben hat das Lied die Liedermacherin und Politaktivistin Malvina Reynolds 1962, bekannt wurde es in der Version von Pete Seeger.  Es kritisiert die Entwicklung der Vorstadt und das, was viele für ihre bürgerlichen, konformistischen Werte halten. Der Song wurde mannigfaltig gecovert, allein für „Weeds“ ca. 25 mal, darunter von Größen wie Elvis Costello, Regina Spektor, Randy Newman und Joan Baez.

Little boxes on the hillside
Little boxes made of ticky tacky (...)
And they all look just the same
And the people in the houses all went to the university
And they all get put in boxes, little boxes all the same
And there‘s doctors and there‘s lawyers
And business executives
And they all get put in boxes, and they all come out the same



Freue mich auf FOFL2020!