Sonntag, 14. März 2021

Sweet Sixteen FOFLs

Achtung, die folgenden Beiträge enthalten Kritik an Klimapolitik, Kritik am Lockdown, Kritik am englischen Bildungssystem, Kritik an mangelnder Gleichberechtigung und sogar regelrechte Sprachkritik. Für jeden was dabei... Ein wahrlich kritisches FOFL!

[Links zu den Liedern wie immer in den Titelzeilen]

 
Der Mann sprach kein Wort Englisch, aber dem Trend der Zeit entsprechend lieferte er dennoch einen englischsprachigen Song (sofern man das so nennen kann). Nach dem Motto: Wenn die Leute es so wollen. Dass der Song ein Hit wurde zeigt, dass es tatsächlich egal war, dass die Lyrics sich eben nur anhörten wie Englisch und keinerlei Sinn ergaben. Einzig das gelegentliche "alright?" scheint zum einen zu hinterfragen "recht so, zufrieden?", zum anderen wie eine ironische Erkundigung "verstanden?": Wenn Ihr das nicht versteht, dann vielleicht, weil IHR kein Englisch könnt! Der Rest ist nicht Schweigen sondern ein Sermon ohne Semantik. Der Versuch, das Ganze in real existierendes Vokabular zu transkribieren, ergibt ein amüsantes Potpourri des Schwachsinns:

With the stain is choose now on hold bill, the same
need a hole read map, give the cuddle bus die.
When this is said my cubed coffee steam
you never churl your number judge he got devilry jam.(...)
High, high 's my scentless
any go so cowed beezo's eyes:
prease, I'm calling and seen I'm choose all, alright?

Auch diesem Sänger der Kölner Krautrockband Can wurde unterstellt, dass er absichtlich unverständlich sang, wahlweise in Englisch, in Deutsch, in Japanisch sowie dass er gar Fantasieworte in den oft improvisierten Text einfließen ließ. Insbesondere die dritte Zeile lässt viel Interpretationsspielraum beim Hören zu, ergibt aber letztendlich in keiner Interpretation wirklich Sinn. Dennoch meinten wir irgendwie etwas über ein verwöhntes, schönes Mädchen zu hören, vielleicht eine Diplomatentochter, die den Boden unter den Füßen verliert, am End gar wegen Drogen (sollte man Vitamin C  als Metapher für Kokain verstehen). Der Text ist nur hörenswert weil man miträtseln kann, das Lied ist unabhängig davon ein Kracher.
 
Her daddy got a big aeroplane
Her mommy holds all the family cash
A beautiful rose, I stay at the corner
She is living in and out of a tune
Hey you
You're losing, you're losing, you're losing
You're losing your vitamin C

Sleaford Mods - Top Room (2021) 
Ein für das Duo typischer rant. Klingt wie immer wütend, dieses Mal über die Lockdown-Situation, über die räumliche Beengtheit und über mangelnden Schlaf (in der Tat haben viele Menschen Schlafstörungen im Lockdown). Jason Williamson hat außerdem Sehnsucht nach den Pariser Restaurants (klingt nun so gar nicht nach Punk, aber der Sänger hat eine Schwäche für die Stadt) und womöglich auch Rückenschmerzen (ebenfalls keine Seltenheit im Lockdown). Es ist jedoch möglich, dass die Zeile die wie "I feel my back" klingt, tatsächlich vielmehr "I fill my bag" lautet, worauf auch immer sich das beziehen möge. Denn seine sieben Sachen zu packen ist eher was Lockdown-Untypisches. Vielleicht höchstens ein verzweifeltes Bereithalten. Meine Lieblingszeile habe ich farbig markiert. Geht mir genauso...

Online food and distancin', I felt like shit
Well it comes so quick and all the frustration and no sleep shit
I think I want something to come out of my phone that ain't there
Oh fuck this
Oh send me
These roads are now the silence in no memory
Uneventful, fuck your pledge
Sod this philosophical take on 'where's your head?'
Where's mine too? Six foot outside the shop in front of you
  
Hier gibt's nicht viel zu analysieren, der Text ist klar formuliert. Allerdings für die vor allem damalige Countryszene regelrecht feministisch. Es ist zwar keine laute Forderung nach Gleichheit, aber doch ein Beklagen der ungleichen Bezahlung und der mangelnden Möglichkeiten für eine Frau im Job voranzukommen, sei sie noch so engagiert und clever. Zugegeben, es klingt emanzipiert, weil das Lied eben von einer Frau gesungen wird. Tatsächlich ist nur von "folks like me" die Rede, so dass das Ganze auch einfach das alte Spiel von Klein gegen Groß bedeuten kann. Es könnte ebenso von einem Mann gesungen werden. Und das wurde es auch! Allerdings stellte Robbie Williams - und das unterstützt den obigen Gedanken - in seiner Version von 2017 dem Lied einen einleitenden Satz voran: She's a working girl, in a modern world.
 
9 to 5, yeah, they got you where they want you
There's a better life and you think about it don't you
It's a rich man's game no matter what they call it
And you spend your life putting money in his wallet
9 to 5, what a way to make a living
Barely gettin' by, it's all taking and no giving
They just use your mind and they never give you credit
It's enough to drive you crazy if you let it

Roger Hodgson war in jungen Jahren nicht glücklich mit dem englischen Bildungssystem. Er fühlte sich verloren, da man Schüler nur lehrte, wie sie in der Gesellschaft zu funktionieren hatten, sie jedoch mit den grundlegenden Fragens des Lebens allein ließ. Kindliches Staunen und jugendlicher Idealismus, Kreativität und Persönlichkeit sah er ausgetrieben zugunsten von Konformität und Konditionierung. Roger hat also keine guten Erfahrungen gemacht, sie aber in einem ziemlich guten Song vertont. Auch gegenwärtig machen Schüler sicher keine gute Erfahrung und es wäre interessant zu wissen, was Roger zu diesen Zeiten von strukturlosem Home Schooling, überforderten Eltern und depressionsgefährdeten Kindern sagen würde. Vielleicht Zeit für eine Fortsetzung... The Lethargical Song?
(Im Lied wird übrigens der Ton eines damals beliebten Football-Videospiels gesampelt, welcher heute keinen Wiedererkennungseffekt mehr hat. Die Fortsetzung sollte aber vielleicht konsequenterweise ein CandyCrush-Sample integrieren. Nur ein Vorschlag.)

Won't you please, please tell me what we've learned
I know it sounds absurd
Please tell me who I am
I said, watch what you say or they'll be calling you a radical
Liberal, oh fanatical, criminal
Won't you sign up your name, we'd like to feel you're acceptable
Respectable, oh presentable, a vegetable

Metric - Speed the collapse (2012) 
Wir haben nichts gelernt aus den Folgen unserer Ausbeutung des Planeten. Wir lesen nicht die Zeichen der Natur, wir hören nicht auf die Warnungen der Experten. Naiv und ignorant machen wir weiter wie bisher und beschleunigen das ganze Dilemma bis nur noch Beten und Hoffen bleibt. Der Text hat eine klare klimapolitische Aussage. Hat er? Aufgrund der Metaphorik könnte man theoretisch auch die ökonomische Krise oder persönliche Beziehungsprobleme reininterpretieren. Die "revolving doors" könnten beschreiben, dass immer die gleichen korrupten Leute an der Macht sind und nur die Posten tauschen. Oder Partner, die sich die Klinke in die Hand geben. (Schon gut, ja, Drehtüren haben keine Klinke.) Aber für mich klingen die "revolving doors" doch eher nach Tornado und umherfliegenden Türen. Scatter what remains.

All the way from where we came
We built a mansion in a day
Distant lightning, thunder claps
Watched our neighbour's house collapse
Looked the other way
And then the storm was overhead
All the oceans boiled and rivers bled (...)
Pushed away, I'm pulled toward
A come down of revolving doors
Every warning we ignored
Drifting in from distant shores
 
 
Ein weiteres Frühlings-FOFL folgt hoffentlich schon bald!