Sonntag, 5. April 2020

I see naked people

Ich sehe nackte Menschen. Ich meine: mehr als sonst. Nicht, dass das unbedingt ein Vorteil wäre, es fällt mir nur auf. #StayHome bedeutet: Man steht mehr am Fenster und schaut raus, weil man mehr Zeit hat, aus dem Fenster zu schauen und sich mehr nach draußen sehnt. Also nimmt man auf einmal eher ungewollt aber zunehmend wahr, was sich in anderen Wohnungen, an anderen Fenstern abspielt. Und man sieht plötzlich mehr nackte Menschen.

Man sieht also absurder- und bemerkenswerter Weise (und nur deshalb schreibe ich überhaupt darüber) in der Isolation, während des Social Distancing, plötzlich mehr nackte Menschen als sonst. Zumindest ich. Leute, die sonst mehr nackte Menschen sehen als ich sehen derzeit vielleicht eher weniger nackte Menschen als ich. Ist mir auch egal. Meine beiden Kollegen, die von ihrem Büro aus hinüber auf ein Wohnhaus blicken, in dem seltsamerweise geradezu eine Anhäufung von Menschen lebt, die sich gerne nackt am Fenster zeigen, mögen derzeit vielleicht ebenso weniger nackte Menschen sehen als sonst, einfach weil sie im Home Office sind.

Vielleicht sollte ich mir eines dieser Kissen besorgen, die man sich auf die Fensterbank legen kann, um sich das Rausschauen komfortabler zu gestalten. Für jene Fensterkissen-Beobachter, die diesem Hobby auch B.C. (Before Corona) gefrönt haben, hat sich hinsichtlich #StayHome auch einiges geändert. Zwar hängen sie noch am selben Fenster, aber dafür sehen sie jetzt weniger Action auf der Straße. Tipp: Schaut nicht auf die Straße, schaut in andere Fenster, da spielt nun die Musik. Sich am Fenster zu treffen und zusammen Musik zu machen, ist auch gerade beliebt.

Nein, ich werde mich nicht mit einem Kissen auf die Fensterbank hängen, das ist ein No-Go. Aber ich werde ab jetzt darauf achten, nach dem Duschen nicht unbekleidet vorm Fenster rumzuhampeln. Denn dieses ganze Vermehrt-aus-dem-Fenster-schauen scheint eine eher allgemeine Angelegenheit zu werden. Und während man die Nachbarn auf diese Art "näher" kennenlernt und man sich möglicherweise - so wie Gott einen schuf - bald zuwinkt, könnte es sein, dass die #StayHome-Augen irgendwann nicht nur aus dem Haus gegenüber, sondern auch aus einer Drohne zum Fenster reinschauen.