Birds in a row - 15-38 (2018)
Franzosen im Zug! In Wagen 15 um genau zu sein. Und auf Platz 38 ein schmieriger, laut telefonierender, nach billigem Aftershave riechender, rücksichtloser Ego-Typ, den es nicht juckt, dass er den Anwesenden auf den Sack geht. Der Erzähler scheint bereits im Vorfeld müde und ausgelaugt und dieser Typ gibt ihm den Rest, so dass die Stimmung sich fatalistisch auflädt. (Dann wir geschrien.) Aber wenn es nichts mehr zu verlieren gibt, kann man sich eigentlich auch wieder verbrüdern. Strophenweise ist man Gegenpol, am Ende doch ein Wir.
And Sarah's girlfriend is working the door
Got everybody's PA in my house, my house
All the robots descend from the bus
There's a freak out brewing in my house, my house
In the basement, 'cause Daft Punk is playing at my house, my house
You got to set them up, kid, set them up
The Strokes - The adults are talking (2020)
"I know you think of her, when you think of me" ist eine Zeile, die einen auf eine falsche Fährte bringen kann, sofern man von einem Falsch oder Richtig ausgeht. Aber FOFLn ist nunmal Sinnsuche und wenn man die Zeile als ein Beziehungsding liest, passt der ganze Rest des Texts nicht dazu. Der Titel deutet ein Machtgefälle an: Jetzt reden die Großen. Geht es also um Politik? Auch so wird die Sache nicht rund. Ein FOFLer knackt schließlich die harte Nuss: Hier setzt sich eine sophisticated Mittelschichtband mit der Musikindustrie auseinander, mit der Erwartungshaltung von Plattenbossen, Stockholdern, Kritikern und Publikum. Dann passt alles. Die obige Zeile wird als Anmaßung eines (weiblichen) Fans gelesen - stellvertretend für die Neigung ein Kunstwerk auf die eigene Person zu beziehen. FOFL-Sinnsuche erfolgreich! Check.
Das hier im Fokus stehende Lied mag musikalisch nicht zu den Meisterwerken Pink Floyds zählen, aber der Text, wahrscheinlich inspiriert von Kriegserlebnissen des Vaters, verdichtet in wenigen Worten das Drama von zu jungen Soldaten, von der gekappten Verbindung von Heimkehrern zur Familie sowie die im Titel genannte mögliche Vergangenheit, die nicht mehr sein kann. Hervorragend die geballte Erwähnung von drei Weltkriegen in einem Satz durch entsprechende Symbole:
With cattle trucks lying in wait for the next time
Neurosis - Locust Star (1996)
Hier sind wir in der Kategorie "Schwer zu verstehen". Zum einen liegt das am Text selbst, der angereichert ist mit religiöser Symbolik und zwar im Zeilentakt: Heuschreckenplage, Schlange, Steinigung, Heilige, Himmelfahrt. Zum anderen liegt es an den Stimmlagen, in denen das Ganze im Dialog dargeboten wird. Kurz: Einer schreit, einer brüllt. Zumindest einer ist gezeichnet, hat Narben davongetragen. Es scheint ein Wehren gegen die Einschränkungen durch religiöse Konventionen, ein Aufbegehren gegen jene Mächte, eine Anklage. Oder ist es ein Einstimmen? Der letzte Absatz ist ein Konglomerat aus Vaterunser und Offenbarungslehre und sicher noch einigem mehr, das uns entgangen ist, abgeschlossen mit der Wendung der Freimaurer: So soll es sein!
Is as that which is belwo (you all lower me)
That which is belwo (you all lower me)
Is as that which is above (you all lower me)
Thy will be done (Christ shine blinds your world)
Idles - Mr Motivator (2020)
Repeat after me! Die wohl üblichste Aufforderung von anheizenden Impulsgebern in Motivationstrainings, meist gefolgt von autosuggestiven Bestärkungen oder vergleichenden Beispielen, die zu Leistungen animieren oder einen schlicht aus einem seelischen Sumpf ziehen sollen. Manchmal wird damit das Gegenteil erreicht, verstimmen einen die Klischees und nervt das "Friede, Freude, Eierkuchen"-Gedöns. Die Idles scheinen zu wissen wovon sie da singen und ihre kreativ hingerotzten Klischees machen gepaart mit guter alter Punktradition eine Menge Vergnügen! Also mich motiviert das ungemein.
Blur - Out of time (2003)
Irgendwie läuft es nicht rund, zu viele Menschen sind niedergeschlagen, alle sind tretmühlenartig beschäftigt und fühlen nicht mehr die Sonne im Gesicht. Das Lied ist ein Appell: Wir müssen mehr Zeit finden, unseren Geist öffnen und nicht aufhören zu träumen. Auch wenn viele Menschen gegenwärtig, während der Pandemie, etwas entschleunigt sein mögen, transportiert der Song (der lange vorher geschrieben wurde) eine beruhigende Hoffnung, lässt einen innehalten. Das kann nicht schaden, denn Entschleunig hin oder her, jetzt wird sogar noch mehr in Bildschirme geschaut und vielen entgleitet in der Unplanbarkeit das Konzept Zukunft. Wir scheinen wir aus der Zeit gefallen. But if we stop dreaming now, Lord know we'll never clear the clouds...
Bob Dylan - Jokerman (1983)
Es dürfte in der Einleitung bereits klar gewesen sein, von wem als Literaturnobelpreisträger die Rede war, beziehungsweise, wer die Rede bei diesem FOFL gehalten hat, denn Bob Dylans Texte sind ja häufig wie lange Reden...Ein waschechter, aber stark nuschelnder Barde. Im recht langen Text finden sich jede Menge biblische Anspielungen, Sodom und Gomorrah, Levitikus und Deuteronomium. Scheint beim ersten Vers wahrscheinlich, dass es sich beim Jokerman um Jesus handelt, werden im weiteren Verlauf die biblischen Bilder von politischen abgelöst und wird die Figur Jokerman in viele Richtungen verdreht. Das ganze ist ziemlich mystisch. Zur Musik: Obwohl keiner der FOFLer davon wirklich vom Hocker gehauen wurde, erfährt das Lied fortwährend Anerkennung durch Tributes und Cover. Wer Bob (und seine Mundharmonika) nicht mag, kann es ja mal hiermit versuchen: Jokerman (Cover) !
November next!
1 Kommentar:
Ich vermute, die erste Strophe von Jokerman handelt schlicht von dem Kumpel, mit dem Bob in der Karibik am Strand saß, während er anfing, den Song zu schreiben. Die biblischen Bilder ziehen sich durch den ganzen Song, werden aber m.E. immer nur benutzt, um eine Person zu beschreiben. Ob immer die gleiche (unwahrscheinlich) oder immer andere (wahrscheinlicher) bleibt offen.
"Well, the Book of Leviticus and Deuteronomy,
The law of the jungle and the sea are your only teachers
In the smoke of the twilight on a milk-white steed,
Michelangelo indeed could've carved out your features."
Very nice indeed!
Bei dem Strokes-Song glaube ich, dass "Stockholders" eher ein Vorwurf ist, den die Musikpresse oder die Fans der Band machen. Also grad anesterrum, wie der Hesse sagt.
Stockholder im Sinne von "ihr macht jetzt auch schon seit 20 Jahren das gleiche". So wie ein etablierter Großkonzern - völlig unbeweglich geworden, weil einfach zu viel Kohle auf dem Spiel steht.
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