Samstag, 14. November 2020

Count every FOFL - das Vierzehnte

[Links zu den Liedern wie immer in den Titelzeilen]
 
Vor einer Woche bereits fand das vierzehnte FOFL statt, mitten im amerikanischen Wahlkrimi, der mal kurz von der Pandemie abglenkt hat. Kurz bevor das FOFL am Samstagabend begann, kamen endlich die guten Nachrichten, also das Wahlergebnis. Überstanden ist das Ganze aber natürlich noch nicht. Und wird es noch lange nicht sein. Eine solche Spaltung verschwindet ja nicht plötzlich, denn sie ist ja auch nicht plötzlich entstanden.
Die FOFLer waren glücklicherweise nicht gespalten hinsichtlich der besprochenen Lieder sondern weitestgehend einer Meinung, was die Diskussion aber nicht weniger interessant oder spaßig gemacht hat.
 

Queen - Bohemian Rhapsody (1975)
In Germany we call it a Klassiker, nicht nur beim Karaoke. Wir haben uns weniger auf den bekannten Inhalt (junger Mann ruiniert sein leben Weg indem er einen Mord begeht und ihm nun die Hinrichtung droht) konzentriert als auf die viel spannendere und lustigere Form. Falls der Begriff 'Rhapsodie' ein 'Böhmisches Dorf' ist (ha ha): Eine Rhapsodie ist ein an keine feste Form gebundenes Werk, musikalische Motive können wechseln und zusammenhanglos verbunden sein. Und in diesem Fall nehmen sie den Text mit: Opernhafte Elemente werden mit Schlagwörtern aus dem Genre zusammenhanglos vertextet (Galileo Figaro!), gefolgt von einer faustrockartigen, sich auflehnenden Tirade (So you think you can stone me and spit in my eye?). Und da sich in der Erörterung dieses Meisterwerks ohnehin nie ein befriedigendes Ende mit annähernder Vollständigkeit finden würde, kann ich hier auch aufhören.

I'm just a poor boy, nobody loves me
He's just a poor boy from a poor family,
Spare him his life from this monstrosity.
Easy come, easy go, will you let me go?
Bismillah! We will not let you go! (Let him go!)

Zu straffer Gitarre gibt es spoken word, Aussage-Schnipsel aus verschiedenen Perspektiven. Das Verfolgen des Lebens derer, die im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen, kann Menschen ein Ventil für schwierige Emotionen bieten und helfen, harte Zeiten in ihrem Leben zu bewältigen. Die Verlobung von Meghan Markle and Prince Harry kann offenbar sogar Trost spenden, wenn die eigene Beziehung gerade zerbricht, wie im Falle der Sängerin dieser Post-Punk-Band. Mächtig ist die Faszination, die von den Royals ausgeht, eine nationale Obsession. Das Lied ist nicht ironisch gemeint in Bezug auf die Wertschätzung für Meghan, sondern im Hinblick auf die Sezierung ihrer Person durch die Medien und die Öffentlichkeit, es prangert Klatsch, Anmaßung und Voyeurismus an.
 
You got engaged on the day that I moved out. It's ok.
She's a smasher, perfectly suited for the role.
Messages from the public: Thank you for all you're doing, we love you.
You're just what England needs, you're going to change us.
He's like the cat that got the cream
He's marrying for love it doesn't matter

Mott the Hoople - All the way from Memphis (1973) 
Wenn der Erfolg überraschend kommt, kann es passieren, dass man ihm nicht gewachsen ist. Man mag noch aussehen wie auf Bewährung entlassen oder wie ein Penner anstatt wie ein Star und das Tourleben mag einen noch so überfordern, dass man seine Gitarre am Flughafen stehen lässt und beim nächsten Konzert ohne dastehen würde, würde sie einem nicht hinterher geschickt werden. Wenn man sich dafür noch schämt, zeigt das, dass man den Rock 'n' Roll Lifestyle noch nicht verinnerlicht hat und nicht davon ausgeht, dass man sich alles erlauben kann. Das ist sympathisch. Es gibt mehrere Oriole (ohne s) in den USA und es gibt die Baltimore Orioles, die hier symbolisch gemeint sein könnten. Welches Orioles genau gemeint ist, blieb unklar.Vielleicht auch der britischen Band die überraschend zu Ruhm in den USA gelangte und etwas lost durchs Land tourte.

Yeah, it's a mighty long way down rock 'n' roll
From the Liverpool docks to the Hollywood bowl
An' you climb up the mountains an' you fall down the holes
All the way from Memphis
Yeah it' a mighty long way down rock 'n' roll
As your name gets hot so your heart grows cold 
 
Wir machen uns die Welt, widde widde wie sie uns gefällt. Das ist die Stimmung des Liedes. Bunt, zuckrig, fantasievoll, harmlos.  Wir erhalten Einblick in den Schulalltag von Kevin, Lucy, einem "me" und Cynthia Rose. Sie ist, was jede Schule hat, die Besondere, die Beliebte. Sie trägt Socken mit unterschiedlichen Farben und stellt sich verschmitzt ein fantastisches Frühstück zusammen, um das ihre Freunde sie beneiden. Auch wenn der Refrain dazu geeignet ist, dass auch Kinder ihn mitsingen können und damit in seiner Lieblichkeit mit dem Text harmoniert, ist der Song dennoch kein simples Kinderlied. Cynthia ist ein Freigeist und wir werden dazu aufgefordert die Welt wieder mehr mit den Augen eines Kindes zu sehen, das noch alles für möglich hält.
 
Her favourite number was twenty and every single day
If you asked her what she had for breakfast this is what she'd say
Starfish and coffee, Maple syrup and jam
Butterscotch clouds, a tangerine and a side order of ham
If you set your mind free, baby
Maybe you'd understand

Was die Ärzte brilliant in "Schrei nach Liebe" umgesetzt haben, kommt hier wesentlich platter daher, sowohl textlich als auch musikalisch. Es sollte wohl sicher gestellt werden, dass jene Idioten, die hier besungen werden, ebenfalls verstehen worum es geht. Während die Ärzte das Thema mit Humor und auch Spott angingen, bleibt die US-Band recht ernsthaft bei der Sache. Und es ist ja auch ernst (wie man aktuell sehen kann!). Deshalb macht es dieser Tage schon schlicht Mut, dass rechtes Gedankengut von einer US-Band anprangert wird. Und nett ist natürlich die Anspielung auf The Who's "The kids are alright", einst eine Hymne der weitaus sympathischeren Mod-Subkultur im England der sechziger Jahre.

So if you feel alone and downtrodden
There's an elixir for your ills
Join the Alt-Right post-light endarkenment order
And the rest of those bastards can go to hell
Alternative facts, alternative lies
Alternative names, alternative tribes

Slade - Thanks for the Memory (1976) 
Auch bei diesem Beitrag gab es Assoziationen zur Band Die Ärzte. Der Vergleich erfolgte hinsichtlich des Rufs als Partyband (obgleich man der "besten Band der Welt" häufig etwas mehr kritischen Gehalt zugestehen darf). Wham bam - ein Spaßlied in der Tat! Zu einer recht aufgekratzten Melodie gibt es einen noch heitereren Text voller Wortspiele auf Krankheiten wie "Housemaid's knee" (Bursitis im Knie), "athlete's foot" (Fußpilz) oder "butterfly disease" (eine Hautkrankheit). Anspielungen wie jene auf den Impfmythos, dass Milchmädchen immun gegen Kuhpocken waren ("Have a milkmaid on your farm") offenbaren sich nicht so unmittelbar und es bleibt zudem etwas Unsicherheit darüber, was der Arzt genau meint, wenn er sich für all die Erinnerungen bedankt. Weil er nichts mehr zu tun hat, seit der uralte Rat vom täglichen Apfel befolgt wird? 

Como estas chickadee?
Have a housmaid on your knee
Eat an apple ev'ry day
An onion keeps ev'ryone away
Have an athlete on your feet
Have some lovesmell on your sheet
Eat an apple ev'ry day
The doctor has got to keep away.
He'll tell you Thanks for the memory
Thanks for it all


Auch ich bedanke mich für diese FOFL-Herbstedition. Mit Glück kriegen wir dieses Jahr abschließend noch Nummer 15 (Jubiläum!) hin. Bis dahin bleibt gesund! Darüberhinaus natürlich auch.
 

2 Kommentare:

jens froehling hat gesagt…

Miss Miller - we will not let you go!
https://www.youtube.com/watch?v=i05gKtHWjGY

Wo hast Du denn die Info mit den Milchmädchen und den Kuhpocken ausgekramt? Bin bissi skeptisch, ob sich das auch auf Noddy Holders Wissenhorizont befand...

penjelly hat gesagt…

Dem originellen Konzept von Wortspielen mit Krankheiten folgend, kann das Milchmädchen kein Zufall sein. Ich dachte, da muss was dahinterstecken und bin prompt drauf gestoßen. Konnte ich dann nicht unter den Tisch fallen lassen, auch wenn es in der Diskussion gar nicht aufkam.
Ha, Mist! Miss Miller hab ich vergessen! ;) Da siehste wozu Kommentare gut sind!