Montag, 16. Juli 2018

FOFL, zum dritten!

Mit dabei bei einem sehr interessanten dritten FOFL waren (neben den Teilnehmern): Eine ungeliebte Band, ein roter Faden, der sich durch gleich drei Songs spann (Existentialismus!), Tribute und Widmungen an prominente und weniger prominente Personen, ein Wanderer im Schlüpfer und wie immer: Verständnisschwierigkeiten.


Beck - Debra (1999)
Den Auftakt machte diese entzückende Ballade von Beck, in der er in höchsten Tönen (so hoch singt Beck eher selten) ein Mädchen anschwärmt. Er will nicht nur mit ihr, sondern auch gleich noch mit ihrer Schwester Debra ohne großes Kennenlernen zur Sache kommen. Funny.
Ain't no use in wasting no time gettin' to know each other
You know the deal!
Cause only you've got a thing
That I just got to get with
I wanna get with you, only you, girl
and your sister
I think her name is Debra


The Cure - Killing an arab (1978/79)
Existentialismus, Part 1. Robert Smith verarbeitet seine Eindrücke aus der Lektüre von Camus' "L'Étranger". Da ich erst kürzlich erneut Camus' Roman gelesen habe und
The Cure noch dazu in meiner Jugend sehr bedeutungsvoll für mich waren, habe ich mich sehr über diesen Beitrag gefreut.
Anhand der Schlüsselszene (dem Mord) wird das grundsätzliche Thema des Romans wiedergegeben: Die Bedeutungslosigkeit des menschlichen Lebens, das einfach
entscheidungslos geschieht, eine Unterwerfung unter die Gleichgültigkeit der Welt.
I can turn and walk away or I can fire the gun
staring at the sky, staring at the sun
whichever I choose it amounts to the same
absolutely nothing
I'm alive
I'm dead
I'm the stranger
killing an arab


Die Toten Hosen - Warten auf Dich (1984)
Erster Beitrag zum Thema "Stimmungsdiskrepanz zwischen Text und Melodie". Die Band, die keiner der FOFLer mag, besingt in ihrer Frühzeit und in Stadiongegrölemanier
die Repressalien, die ein Außenseiter täglich erdulden muss. Der liebliche Refraintext allerdings könnte auch aus einem Schlager stammen. Es kam die Frage auf, ob das Lied den Starken oder den Schwachen den Rücken stärken soll. Auslegefähig.
Durch die Straße Deiner Albträume
Es führt kein Weg daran vorbei
Du weißt was Dich erwartet
Es nutzt kein Hilfeschrei
[Refrain]
Sie warten nur auf Dich
Mit einem Lächeln im Gesicht
Wollen sie Dich
Sie wollen nur Dich



Alt-J - Fitzpleasure (2012)
Eine musikalische Delikatesse mit einem schwierigen Text. Geschuldet ist das einem hohen Maß an bildhafter Sprache und Slang.
Verstanden haben wir das Lied als respektvolle Ode an eine Hu re, die Jungs zu Männern macht. Allerdings lagen wir damit ziemlich falsch. Geschildert wird vielmehr die brutale Massenvergewaltigungsszene aus H. Selby Jr.'s Roman "Last Exit to Brooklyn" von 1964.  Erschreckend, dass bei uns eine ganz andere Stimmung ankam.
Gelernte Vokabel: fluffer. (Auf Erläuterung muss verzichtet werden, da der Blog sonst wieder einen branchenspezifischen Angriff auf die Kommentarfunktion erlebt.)
Tall woman, pull the pylons down
And wrap them around the necks of all the freckless men that queue to be the next
Steepled fingers, ring leaders, queue jumpers
rock fist paper scissors, lingered fluffers.
In your hoof lies the heartland
where we tend for our treasure, pleasure, leisure



The Beatles - Dear Prudence (1968)
Im Gegensatz zur unbeliebten Band konnte sich dieses Lied fofligen Wohlwollens erfreuen. Geschrieben hat Lennon es während eines Meditationskurses in Indien, an dem
neben den Beatles auch Mia Farrow und ihre Schwester Prudence teilnahmen; außerdem unter anderem Folksänger Donovan, der Lennon die hier angewandte Fingerpicking-Technik auf der Gitarre beibrachte. Mit dem Lied sollte Prudence, die - übermäßig besessen vom Meditieren - ihr Zimmer nicht mehr verließ, aus ihrer Klausur gelockt werden.
Dear Prudence, won't you come out to play
Dear Prudence open up your eyes
Dear Prudence see the sunny skies
The wind is low, the birds will sing
That you are part of everything



Meursault - The Dirt and the roots (2009)
Existentialismus, Part 2. Die Band aus Edinburgh benannte sich nach der Hauptfigur aus Camus' "L'Étranger". Der rote Faden findet sich also eher im Bandnamen als im
Liedtext. Der Mörder Meursault bleibt sich treu und ist nicht bereit, etwas vorzutäuschen, um sich zu retten, weder Reue noch das Empfinden für einen Sinn des Lebens. Verdammt (und hingerichtet) wird er nicht zuletzt dafür, dass er im Anschluss an die Beerdigung seiner Mutter eine Liebesaffäre beginnt und sich im Kino eine Komödie ansieht - also nicht den Erwartungen der Gesellschaft entspricht.
And never will I find anything that will bind me to all that I knew
Until I find out I will bury my heart beneath the dirt, the soil and the roots.



Two Doors Cinema Club - Changing of the seasons (2013)
Zweiter Beitrag zum Thema "Stimmungsdiskrepanz zwischen Text und Melodie", dieses Mal aus Nordirland. Eine schmerzhafte Trennung wird textlich verarbeitet und in
fröhliche Popmelodie verpackt. Letztendlich entsteht nicht zuletzt dadurch der Eindruck der Überwindung und des Verschmerzens der verlorenen Liebe.
When you say you won't forget me
I can tell you that's not true
'Cause every day since you left me
I've thought less and less of you
And I've worn out all the reasons
To keep knocking at your door
Could be the changing of the seasons
But I don't love you anymore



Phil Vetter - Trottelkind (2016)
Als Beitrag zu gelungener deutschsprachiger Liedkunst gedacht, gingen die Meinungen dazu nicht zuletzt aufgrund von Verständnisschwierigkeiten jedoch auseinander. Damit
ist nicht der tatsächlich stattgefundene Verhörer gemeint, der einen "Schlüpfer" in den Text schummelte (im Lied zwischen 0:50 und 0:55). Dieser konnte geklärt werden, wenn auch ohne Hilfe des Künstlers. Jener wurde nämlich im FOFL-Vorfeld angeschrieben, hat sich aber leider nicht geäußert (wahrscheinlich hätte der Schlüpfer im Anschreiben besser unerwähnt bleiben sollen). Verstanden haben wir das Lied als (Wanderer-)Metapher für den Lebensweg.
Großen Neid gibt's zum Freundschaftspreis
Und er verlangt nach Heiterkeit.
Hab mir die Fassung bewahrt
Und da ne neue Birne drauf gemalt
Ein weit'res Mal als Trottelkind getarnt
hab ich mich selbst wieder und wieder nachgeahmt



Modest Mouse - Lives (2000)
Existentialismus, Part 3. Puh, sperrig wie manch existentialistische Lektüre kommt die Musik von Modest Mouse daher. Weniger exzentrisch aber ist der Text, zur
Abwechslung mal befreiend unmetaphorisch geht er direkt zum philosophischen Kern.
Everyone's afraid of their own lives
If you could be anything you want
I bet you'd be disappointed, am I right?
And it's our lives
It's hard to remember, it's hard to remember
We're alive for the first time
It's hard to remember, it's hard to remember
To live before you die



Not hard to remember: Nach dem FOFl ist vor dem FOFL.
Freu mich auf einen goldenen FOFL-Herbst.

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