Montag, 10. Juni 2019

Das siebte FOFL

Beim vorgestrigen siebten FOFL gab es erneut weniger Beiträge. Es war jedoch einigermaßen verschmerzbar, denn dafür gab es mehr zu sagen und außerdem viel zu essen. In echt wie auch in der Musik: "Frankfurt hot dog", "chicken gumbo", "All those quick recipes"...

The busy girl buys beauty - Billy Bragg (1983) 
Anders als der Titel vermuten lässt, schlägt sich das Lied sympathisch auf die Seite der simple girls. Während die vielbeschäftigte, wahrscheinlich gutverdienende Karrierefrau ihr Geld in Beautyprodukte und -behandlungen steckt und das schöne Mädchen, das so etwas nicht nötig hat, eher in Style investiert, mit dem sie ihre Schönheit unterstreichen kann, braucht das "simple girl", schlicht wie es ist, schlicht Hilfe. Ihre Hoffnungen ruhen dabei auf Hochglanzmagazinen und deren Versprechen. Schönheit ist ein Geschenk, keine Leistung. Einige werden beschenkt, andere müssen erst etwas dafür leisten, wenn sie es sich denn leisten können, und wieder andere kriegen eben nichts geschenkt. Sie müssen dieser Ungerechtig­keit ins Auge sehen und klarkommen. Billy macht auf verständnisvoll und auf Cockney. Zum Glück hat er in späteren Jahren noch Gesangsunterricht genommen. 

The busy girl buys beauty
The pretty girl buys style
And the simple girl buys
What she's told to buyWhat will you do
When you wake up one morning
To find that God's made you plain
In a beautiful person's world (...)

A most disgusting song - Rodriguez (1971)

Gigs in Bars aller Orten, vor Menschen aller Sorten, beschrieben in reimenden Worten. Rodriguez beschreibt das Milieu in dem er sich bewegt, auch im gerade besungenen Moment. Diese Beschreibung wird von gelassener Barmusik lediglich untermalt. Die Musik ist nicht das Wesentliche an einem solchen Ort. Das Wesentliche in einer Bar sind die Menschen, eigentümlich, verschieden. Egal ob reich oder arm, schwarz oder weiß, un­schuldig oder kriminell, ängstlich oder abgebrüht - hier sind sie ebenbürtig. Ihre Laster und Bedürfnisse, ihre Schwächen und Einsamkeiten machen sie gleich. Vermutlich hat sich Patrick deWitt für seinen Roman "Ablutions" (ebenfalls most disgusting, aber sehr lesenswert) hier inspirieren lassen. Wäre der Autor nicht erst vier Jahre nach Erscheinen des Songs geboren, könnte man meinen, er hätte in derselben B­ar gesessen und sich Notizen gemacht. Zumal der Untertitel des Romans "Notes for a Novel" lautet. 

Yeah, they're all here, the Tiny Tims and the Uncle Toms,
Redheads, brunettes, brownettes and the dyed haired blondes,
Who talk to dogs, chase broads and have hopes of being mobbed,
Who mislay their dreams and later claim that they were robbed
And every night it's going to be the same old thing
getting high, getting drunk, getting horny
Lost, even at Martha's Vineyard, again

This is not possible - Sun Kil Moon (2017)  
Ist das ein Lied? Oder eine vertonte Tripadvisor-Bewertung? Es ist jedenfalls lustig anzuhören, zumindest wenn man aus der im Fokus stehenden Region stammt. Wir fragen uns, welcher Frankfurter Club mit seinem Unentgegenkommen ein solches Lamentieren zu evozieren vermochte. Gewinner des Stücks ist auf jeden Fall das Romantik Hotel Schloss Rettershof. Und es ist natürlich herzallerliebst wie das ausge­sprochen wird: Retter-shof (wie in shop). Dort war man offenbar so nett zu den Musikern, dass sie sich mit ungewöhnlicher Werbung bedankten. Sun Kil Moon besetzen eine Nische, sind mehr Act als Band und haben eigentlich nur einen Dreh- und Angelpunkt in der Person Mark Kozelek. Das Lied ist interessantes, improvisiertes Einwegmaterial. Man wird es sich wahrscheinlich nur schwer öfter anhören können oder wollen. (Höchstens mit den richtigen Drogen.) Aber der Rettershof in Kelkheim hat sich sicher gefreut.

May I suggest a place when you're jet-lagged as hell?
It's twenty minutes outside of Frankfurt
It's called the Romantik Hotel in the suburb of Frankfurt in a place called Schloss Rettershof
There are goats and sheeps and horses outside
And the lady at the desk is very polite
We said, "We know we're here early but can we possibly
Get into our rooms early, if it's not too much trouble?"
And she said, "Yes, this is possible"
 


Rusholme Ruffians - The Smiths (1983)
Das Lied hat die FOFL-Runde in Erinnerungen schwelgen lassen. Wir begaben uns geistig zurück auf die Kerb, das Highlight unserer spätkindlichen und adoleszenten Tage, als wir noch nicht bewerten konnten, wie schlecht die Popmusik auf dem Rummelplatz tatsächlich ist, als die coolen Jungs am Autoscooter rumhingen und die Mädchen wegen der anzüglichen Sprüche von haargegelten Fahrwerkbetreiber giggelten. Morrissey rückt hier den Rummel in Rusholme, einem Vorort von Manchester, in den Mittelpunkt, inklusive Schlägereien und aufkeimender Sexualität. Aber das Lebensgefühl einer Kirmes ist wohl überall gleich, das jugendliche Verhalten vertraut. Beschrieben hat es zuvor auch Victoria Wood, eine von Morrissey bewunderte Komikerin, die er häufiger in Liedern zitiert. Hier liefert er nahezu ein Remake ihres Liedes "Fourteen again" (s.u.). Was zu einer fofligen Diskussion um Remakes (nicht Covers) in der Musikgeschichte führte. Trotz sorgfältigen Überlegens sind uns nicht viele eingefallen (eher keine). Beispiele dürfen gerne unter Kommentaren genannt werden.

The last night of the fair
By the big wheel generator
A boy is stabbed
And his money is grabbed
And the air hangs heavy like a dulling wine
She is famous, she is funny
An engagement ring
Doesn't mean a thing
To a mind consumed by brass (money)

I want to be fourteen again
Free rides on the waltzer off the fairground men
For a promise of a snog the last night of the fair (...)
The coloured lights reflected in the Brylcream on his hair
I want to be fourteen again,
For all the things I didn't know then
When I was funny, I was famous, I was never ignored.

So beautiful or so what - Paul Simon (2011)

Das Leben ist so, wie man beschließt, es zu sehen und zu nehmen, würdigend oder ignorant - entweder so schön oder so 'na und'. Was ist wichtig im Leben? Sind Leben unterschiedlich bedeutungsvoll oder bedeutungslos? Das ist hier die Frage. Paul Simon präsentiert zwar zunächst neutral die Optionen, läßt aber schließlich eindeutig eine Tendenz zur Relevanz des Lebens erkennen. In seiner Gegenüberstelllung von Trivialem und Tragischem weist er auf, dass Menschen häufig erst angesicht der Tragik die Bedeutung eines einzelnen Lebens erkennen und wertschätzen. Das tragische Element, das hier als Beispiel herangezogen wird, ist der Mord an Dr. (Martin Luther) King. Die Melodie bleibt dabei durchgehend beschwingt und positiv - so beautiful. 


I'm just a raindrop in a bucket
A coin dropped in slot
I am an empty house on Weed Street
Across the road from a vacant lot
You know life is what you make of it
So beautiful, or so what
Ain't it strange the way we're ignorant
How we seek out bad advice
How we jigger it and figure it
Mistaking value for the price

Mr. Blue Sky - Electric Light Orchestra (1977)
Zum Abschluss ein happy-happy song. Nach Tagen voll dunkler Wolken und Regens kommt endlich die Sonne raus und Mr. Blue Sky übernimmt. Briten reden nicht nur gerne übers Wetter, sie singen auch offensichtlich gerne darüber und widmen dem Einfluss des Wetters auf die Stimmung des Menschen ganze Alben. Ein tieferer Sinn ist nicht zu vermuten, der Text kommt unmetaphorisch daher. Die Sonne scheint und alle sind glücklich. Zumindest bis Mr. Night kommt, liebe Kinder. Beatles-Bewunderer Jeff Lynne hat diesen Einfluss vielseitig in ELOs Musik einfließen lassen: Streicherarrangements und orchestrales Finale, Mehrstimmigkeit und opernhafte Einlagen. Sgt. Pepper und Lucy in the Sky lassen grüßen. Den Satz, den man am Ende von 'Mr. Blue Sky' in verzerrter Form hört, lautet übrigens "Please turn me over", ein nettes Relikt aus Vinylzeiten.

Mr. Blue Sky
please tell us why
You had to hide away for so long (so long)
Where did we go wrong
Hey there Mr. Blue,
We're so pleased to be with you
Look around see what you do
Everybody smiles at you 

So, Sommerpause. Weiter gefoflt wird im Spätsommer/Herbst.

1 Kommentar:

jens froehling hat gesagt…

So, here are the meagre three remakes, I can think of:
First, and best of all, Fettes Brot "Für Immer Immer", ein Remake und eine Liebeserklärung an Insterburg & Cos "Ich liebte ein Mädchen".
Second, GUZ's "Sommer 1984", a remake of, what else, Bryan Adams' "Summer of 69".
Und womöglich noch Tocotronics "Aber hier leben, nein Danke!" als Remake von Lechtenbrinks/Zuckowskis "Ich mag".
Eigentlich zählt nur das erste als ernstgemeintes "tribute" im Sinne von Verbeugung. Bei GUZ bin ich mir nicht sicher - vermutlich ist Summer of 69 so eine Art guilty pleasure von ihm. Und bei Tocotronic ist es natürlich eher augenzwinkernd, süffisant, ironisch aufzufassen (vermute ich jedenfalls...).