Montag, 31. Dezember 2018

Fünftes FOFL

Es hat geklappt: Es gab ein Extra-FOFL zum Jahresabschluss. Für ein Weihnachtsspecial waren wir etwas spät dran, aber trotzdem tauchten Glocken auf, ging es um Wünsche von Kindern und wurde der Bedürftigen gedacht.

No reptiles - Everything Everything (2015)
Ein  geheimnisvolles Lied. Gut, wenn man den Text vorliegen hat, denn in der ersten Minute wird dieser derart unverständlich hastig heruntergebetet, dass der Eindruck entsteht, hier solle schnell etwas hinter sich gebracht werden. Geht es um Krieg? Das Bild wird mehrfach angeführt. Das dann eher entschleunigte restliche Lied soll jedoch vielmehr die Lethargie der Gesellschaft anprangern, die vornehmlich aus Weicheiern, denn aus Reptilien besteht. So die Interpretation. Wenn am Ende noch eine einzige Nacht erfleht wird, bleibt offen, wofür. Es klingt wie ein stilles Gebet, laut heraus gesungen. Es bewahrt sich seine Stille, da es der Allgemeinheit dennoch nichts sagt. Die Beweggründe des Bittstellers bleiben im Verständnis schwammig wie die besungene Gesellschaft.
And no reptiles, just soft boiled eggs in shirts and ties

Waiting for the flashing green man
Quivering and wobbling just like all the eggs you know
I'm going to kill a stranger So don't you be a stranger
O baby, it's alright to feel like a fat child in a pushchair
Old enough to run
Old enough to fire a gun

London - Benjamin Clementine (2015)
London ruft nach dem Helden dieses Lieds, er trägt London in sich. Er befindet sich jedoch in Paris und führt eine Auseinandersetzung darüber, ob es gut für ihn ist, was er tut, ob es sich lohnt, weiter zu hoffen. Es klingt, als solle er sich nicht mehr vergeblich bemühen oder, auch so eine Hypothese, die Finger von Drogen lassen. Der Vorwurf, er würde etwas vorspiegeln, was ihm niemand abkauft, wird gekontert mit der Antwort, dass nur, weil es nicht läuft wie er sich das wünscht, er sich nicht selbst unterschätzen wird. Was hier beschrieben wird, und für den ein oder anderen nach alkoholisierten Jugendlichen nachts downtown klingt,  ist eine Situation in der sich der Sänger tatsächlich befand. Aufgrund privater Probleme ging er mit 19 Jahren von London nach Paris, lebte einige Jahre obdachlos und hielt sich mit kleinen Engagements und als Straßenmusiker über Wasser, bis er entdeckt und produziert wurde. Verdient. Ein poetischer Sänger und Pianist, nicht zu unterschätzen.

Although my preferred ways are not happening
I won't underestimate who I am capable of becoming
History will be made today is written boldly on his face
so clear you could hardly miss it, you could hardly miss it
For transcending the barriers of yesterday was and is the dream
 
The troubles - The Roches (1979)
Der Ohrwurm des Abends. Hebt die Stimmung trotz des Titels. Hebt die Stimmung, weil die sehr klar klingenden Gitarren eine unschuldige Melodie liefern und die spielerischen Stimmen der Schwestern von The Roches eine hübsche Sorglosigkeit transportieren, die in einem entzückenden Kanon kulminiert. Das Ganze birgt ein satirisches Moment: Während die Schwestern einen bevorstehenden Trip nach Irland besingen, wo die "Troubles" wüten, bleibt ihre Hauptsorge, dass die Gitarre heil ankommt und ob es gesundes Essen und Kuchen in Dublin gibt. Falls nicht, müßten sie sterben (während sie sich aus der Schußlinie halten). Das sehr nette Liedchen ist nicht sehr bekannt. Zumindest nicht mehr, der Bekanntheitsgrad war nicht langlebig. Damals in New York, in der Greenwich Village Clubszene, waren die Mädels durchaus populär und haben u.a. mit Paul Simon und Robert Fripp (King Crimson) zusammengearbeitet. Whistle along.

We're going away to Ireland soon
We'll try not to get in the way of the guns
as we always do
We're flying across the ocean soon
I dreamed I saw my guitar topple off onto the runway
please be careful with my guitar whoever you are

Bells of New York City - Josh Groban (2010)
Für die einen vermittelt das Lied eine Weihnachtsstimmung (Kling Glöckchen kling), für andere Winterblues, für wieder andere gleich Selbstmordgedanken. Steht da jemand schon auf der Brüstung eines Wolkenkratzers hoch über der Stadt, die niemals schläft und hat Todessehnsucht, während der Central Park wie ein (Toten)bett ausgebreitet vor ihm liegt? For whom the bell tolls? Nein, falsches Lied. Die Stadt ist erleuchtet und die Lichter vertreiben das Grau, die Glocken mahnen, nicht zu gehen und leise rieselt der Schnee. Nochmal falsches Lied, sorry.
Neben Selbstmordgedanken zogen wir auch eine thematisierte Trennung in Betracht. Oder naht die Abreise und es ist schlicht Abschiedsschmerz von der geliebten Metropole? Josh Groban ist ausgebildeter Bariton und Schwiegersohntyp. Ich höre an diesem Abend das erste Mal von ihm (wie im Übrigen auch von The Roches und dem Tom Tom Club).

It's always this time of year that my thoughts undo me
with the ghosts of many lifetimes all abound
But from these mad heights I can always hear the sound
Of the bells of New York City singing all around
Stay with me, stay with me

Elevator Operator - Courtney Barnett (2015)
Eine Künstlerin von Downunder, die in ihren Songs kleine Geschichten erzählt, Einblicke in unterschiedliche Leben gibt, fein gezeichnet. Hier rebelliert ein junger Mann in Melbourne gegen den Alltagstrott. Ferris, nein, Oliver Paul macht blau. Er hat immer davon geträumt ein einfacher Elevator Operator zu sein, also ab ins Nicholas Building und auf zum Aufzug. Dort trifft er auf eine alte Dame, in wenigen Worten wunderbar umrissen erscheint sie vorm inneren Auge des Zuhörers. Sie haben das gleiche Ziel: Rooftop. Was die Dame selbst dort oben will, wird nicht klar, aber sie meint zu wissen, was ihn bewegt. Allein, sie irrt. Sie mögen unterschiedlichen Dinge wollen und doch auch beide dasselbe: Ihre Ruhe.

The elevator dings and they awkwardly step in
Their fingers touch on the rooftop button
Don't jump little boy, don't jump off that roof
You've got you're whole life ahead of you, You're still in your youth
I'd give anything to have skin like you
He said "I think you're projecting the way that You're feeling
I'm not suicidal, just idling insignificantly

Johnny Ryall - Beastie boys (1989)
Das zweite Lied zum Thema Obdachlosigkeit. Wir sind wieder in NYC, dieses Mal unten, ganz unten. Johnny Ryall trägt Toastbrottüten-Schuhe, schläft in einem Pappkarton, wäscht Autoscheiben, bettelt und trinkt. Eher nüchtern als bemitleidend erläutern die Beastie Boys das Schicksal eines Mannes, der auf der Straße lebt. Er behauptet, mal eine große Nummer im Musikbusiness gewesen zu sein, Blue Suede Shoes geschrieben und goldene Schallplatten verliehen bekommen zu haben. Hier folgt der Absturz am Ende der Karriere, erhebt sich nicht der Phoenix aus der Asche wie bei Benjamin Clementine. Ein Rockabilly-Star der für sich selbst immer noch genau das ist und nicht der Penner, den alle anderen in ihm sehen.  Musikalisch nicht das beste Lied der Beastie Boys aber in ihren Anliegen sowie textlich sind sie häufig unterschätzt.

Donald Trump and Donald Tramp living in the men's shelter
Wonder Bread Bag Shoes and singing Helter Skelter
He asks for a dollar you know what it's for
Man, bottle after bottle he'll always need more
He's no less important than you working class stiffs
He drinks a lot of liquor but he don't drink piss

Wordy Rappinghood - The Tom Tom Club (1981)
Noch ein Lied das seinerzeit wohl recht beachtet war, aber auf lange Sicht in Vergessenheit geriet. Dabei macht auch dieses Lied Spaß. Gut, man mag über den 80s-Synthies-Sound eher schmunzeln, aber das Ganze hat etwas. Was sind Worte wert und worüber reden wir hier eigentlich? Wir fühlen uns an Dadaismus erinnert und weil's so schön ist, hören wir uns deshalb im Anschluss passenderweise "Tuffn" von Rainald Grebe an.
Aber zurück zum Tom Tom Club. Was da nach Dada klingt ist eine Entlehnung aus einem marokkanischen Kinderreim, eingebettet in ungeschliffenen Rap, an dem sich, wie so oft seiner Zeit, mehr schlecht als recht versucht wurde. Alles recht simpel aber dennoch irgendwie charmant.

Ram sam sam, a ram sam sam
Guli guli guli guli guli ram sam sam
Haykayay yipi yaykayé
Ahou ahou a nikichi
What are words worth?
Words of nuance, words of skill
And words of romance are a thrill
Words are stupid, words are fun
Words can put you on the run 

When I grow up - Readymade (1998)
Zweites Lied zum Thema "Was willst Du werden, wenn Du mal groß bist?" bzw. "Was wolltest Du werden, als Du klein warst?" Viele kleine Jungs träumen davon, einen Mülltransporter (oder wahlweise einen Bagger) zu führen, wenn sie erwachsen sind. Das Bedienen großer Maschinen scheint auf das kindlich-männliche Wesen eine große Faszination auszuüben (Aber Achtung, es könnte die Loneliness of a Tower Crane Driver draus werden, aber gut, schon wieder falsches Lied.) Werden die kleinen Jungs dann zu Teenagern ändert sich der Berufswunsch häufig: Rockstar soll es sein. Den Jungs dieser Band aus Wiesbaden ist das zumindest ein paar Jährchen lang gelungen, aber der richtig große Durchbruch kam nicht. Was aus ihnen geworden ist, ob Arzt, Anwalt oder doch Müllmann - nichts Genaues weiß man nicht.

Ok, it's not the most glamorous job in the world
You drive around from street to street
And pick up people's dirt
But one time when he came to our house
He looked at me and smiled
Oh man, garbage-truck driver won't you take me for a ride
When I grow up, when I grow up
I'm gonna drive a garbage-truck 


Für dieses Jahr hat es sich damit ausgefoflt. Schön war's.
Ich wünsche Euch allen einen guten Start ins neue Jahr!
Bis 2019, Eure Penjelly 

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