Samstag, 1. Dezember 2018

FOFL4


Bereits am vergangenen Wochenende wurde endlich wieder gefoflt! Es war umwerfend, ebenso wie die Grippe, die mich danach erwischt hat - kein kausaler Zusammenhang, aber  ergo das verpätete Protokoll.

Nochmal zur Erläuterung, da es doch irgendwie komisch klingt: FOFL steht für "Focus On Fine Lyrics". Inzwischen nicht nur ein feststehender Begriff, sondern einer der um verbale, adverbiale und adjektivische Verwendung erweitert wurde. Etwas kann zum Beispiel foflig sein oder foftlesk anmuten. Und es kann rumgefoflt werden.
Nun da FOFL sich auch noch sprachlich etabliert hat, ist es nur eine Frage der Zeit bis die Idee geklaut wird. (Es wäre nicht das erste Mal, dass mir das passiert.) Vielleicht macht FOFL dann als TV-Format Furore, eine Mischung aus "Literarischem Quartett" und "The Voice".
In der Tat wurde bei diesem vierten FOFL auch gesungen. Es gab nämlich als Abschluss ein fofliges Quiz, bei dem es galt, unvollständige Liedzeilen textlich korrekt zu vervollständigen. Was einfacher gelingt, wenn man den Text vor sich her singt - sofern man das Lied erkannt hat. Abgesehen davon wurde als unterhaltsamer Einschub eine thematisch passende, also fofleske Hörbuchszene von Marc-Uwe Kling vorgestellt: Come with me. Ich fühlte mich seelenverwandt.

Aber nun zum eigentlichen FOFL. Dies waren die von den Teilnehmern ausgewählten Titel:

Badge - Cream (Eric Clapton/George Harrison, 1973)
Völlig umsonst haben wir versucht, hinter die Bedeutung dieses Textes und seines Titels zu kommen. Wir assoziierten zwar Drogen, Eheprobleme und sogar Dachse, was nicht so weit hergeholt ist, wenn man die Lebensgeschichte der beiden Songwriter betrachtet (von den Dachsen mal abgesehen). Jegliches Interpretieren ist allerdings in diesem Fall vergebene Liebesmüh. Der Text soll gar keinen Sinn machen und besteht aus Gesprächsfetzen, die ans trunkene Ohr der Verfasser gelangten. Der Titel entstand zudem durch einen "Verleser" (sollte eigentlich Bridge heißen). Hätten wir das auch geklärt.
 
I told you not to wander 'round in the dark. 
I told you 'bout the swans, that they live in the park.
 Then I told you 'bout our kid, now he's married to mabel.
Yes, I told you that the light goes up and down.
Don't you notice how the wheel goes 'round?

Broken - Jake Bugg (2012)
Ebenfalls teilweise verwirrend ist der Text dieses Liedes. Es gibt einige Theorien zum Hintergrund, der Selbstmord einer Freundin, das Verlassenwerden von der großen Liebe... Laut Jake war es eine ganze Sequenz einschneidender Ereignisse. Er hat seinem Schmerz sowohl an der Gitarre als auch wörtlich freien Lauf gelassen und m
an muss den Hintergrund des Liedes nicht kennen, man versteht das Gefühl. Ein sehr berührendes Lied, ausgewählt, weil es in erstaunlich jungem Alter geschrieben wurde (Jake war 19) und man das tiefe Empfinden spüren kann, das die Jugend so leicht in der Lage ist, hervorzubringen und das so oft verloren geht.
Zur Info: Rick Rubin hat sich der Sache angenommen und dem Lied Schliff verpasst, bevor es als Single ausgekoppelt wurde. Die Album-Version ist jedoch echter, packender, besser.

I'll wait here  for you
For I'm broken down
Coming down this time
For my heart lies
Far and away where they took you down
Led them over to your house
Where I'm broken 

Big yellow taxi - Joni Mitchell (1970)
Nach zwei kuriosen Texten war dieser eine Erleichterung. Ganz unkryptisch. Klare Ansagen zu Umweltanliegen. So aktuell, dass es fast überrascht, dass die Zeilen bereits 1970 geschrieben wurden. So klar, dass wir gar nicht tiefergehend diskutiert haben, auch nicht über den Titel, der dann doch Potential hat, kryptisch zu sein (Taxi muss nicht gleich Taxi bedeuten...). Stattdessen sprachen wir über Coverversionen, die es zahlreich gibt. Das Original ist aber auch hier die sympathischere Variante, nicht zuletzt wegen Jonis high pitch/low pitch am Ende des Songs.
Hey farmer farmer
put away that DDT now
give me spots an my apples
but leave me the birds and the bees please
Don't it always seem to go
that you don't know what you've got till it's gone
They paved paradise and put up a parking lot

Regulate - Warren G. feat. Nate Dogg (1994)
Dramatische Szenen spielen sich hier ab! Zwei Jungs wollen sich nachts in der Stadt treffen, um ein paar skirts klar zu machen. Doch bevor das gelingt und man ins Eastside Motel verschwinden kann, muss der eine homey (Nate Dogg) dem anderen homey (G-child) aus der Patsche helfen. Die besteht darin, daß Warren G. abgerippt wird. Der Moment wird mit einer Tragik in der Stimme geschildert, dass es ganz klar Selbstironie sein muss. Sein müßte... Die FOFL-Teilnehmerinnen fanden übrigens, daß Nate Dogg seiner Stimme nach gutaussehend sein muss. Sein müßte. Well...
I'm getting jacked, I'm breaking myself

I can't believe they're taking Warren's wealth
They took my rings, they took my rolex
I looked at the brothas and said "damn, what's next?"

Baba O'Riley - The Who (1971)
Erneut ein sehr undurchsichtiger Text. Ein Bild von armen Baumwollpflückern trat vor unser geistiges Auge. Oder sind wir doch in Irland? Schließlich ist da ein O' Riley im Titel. Aber Baba klingt orientalisch... Auch Bibelassoziationen gab es (Lots Frau...). Alles falsch. Wieder in die Irre geführt worden. Denn der Text ergibt deshalb keinen Sinn, weil er eigentlich Teil eins größeren Ganzen ist, einer Rockoper, die nie verwirklicht wurde. "Baba O'Riley" ist ein Überbleibsel, aus dem Kontext gerissen. Der Titel eine Kombination aus den Namen zweier Männer die Pete Townsend inspirierten (Baba spirituell, Riley musikalisch).
Ich hatte immerhin die Erkenntnis, dass das Lied einen anderen Titel hat als - wie gedacht - "Teenage Wasteland"!
Travel south across  land
put out the fire
don't look past my shoulder
the exodus is near
let's get together
before we get much older
Teenage wasteland

Mir wär lieber Du weinst - AnnenMayKantereit (2016)
Das zweite Lied zum Thema "Adoleszenz musiziert". Bei den Mittzwanzigern geht es nicht um den Schmerz des Verlassenwerdens, sondern um den des Verlassens, das einem nicht leicht fällt und nicht leicht gemacht wird. Durch das Wiederholen bestimmter Zeilen wird das Sich-Winden unterstrichen. Das Lied ist nicht so bewegend wie Buggs Broken, dafür aber mit schöner Intertextualität. Zitiert wird niemand geringerer als Rio Reiser mit "Für immer und Dich". Der war allerdings bereits 36, als er das Lied schrieb.
Und ich will nicht mehr wissen, wo du pennst
Ich will nicht mehr wissen, wie du mich nennst
Ich will nicht mehr wissen, dass du mich so gut kennst
Ich versteh doch eh nicht was du meinst.
Und du versprichst mir ein Versprechen, nur um mich zu unterbrechen
Mir wär lieber Du weinst, mir wär lieber du weinst...

This must be the place (naive melody) - Talking Heads (1983) 
Zum Abschluss, nach all dem Schmerz der Welt und Umwelt und nach all den Fragezeichen, ein leichtes, positives Lied. Liebe, Liebe machen, tiefe Zufriedenheit, Ankommen. Fast zu schön um wahr zu sein. Ist es naiv, an so etwas zu glauben? Vielleicht hat das Lied deshalb so eine unschuldige Melodie und sogar den Beinamen "naive melody". Dennoch ist es bei weitem kein kitschiges, sondern ein solides Liebeslied. Mit diesem hoffnungsvollen Stück wurde das vierte FOFL beschlossen. 
Home, is where I want to be 
But I guess I'm already there
I come home, she lifted up her wings
I guess that this must be the place
I can't tell one from the other
I find you, or you find me?


Wenn alles gut geht wird es noch ein Jahresend-FOFL geben. Juhu und bis dann.

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