Samstag, 7. März 2009

Verfolgt von dünnen Wänden


Wenn es im Büro mal wieder dazu kommt, dass meine Kollegin ein Privatgespräch führt, so bleibt mir das,
obwohl eine Wand uns trennt, nicht verborgen. Es ist eine sehr dünne Wand. Dass es ein Privatgespräch ist, erschließt sich daraus, dass es auf Kroatisch geführt wird und dass in ihrer Muttersprache die Stimme meiner Kollegin unwillkürlich kräftiger wird. Tritt dieser Fall ein, bedeutet das, dass meine Konzentration proportional zum Anschwellen ihres Stimmvolumens geringer wird. Ich kann mit so einem permanenten, dumpfen Gesprächsbrei im Rücken einfach nicht sehr gut denken.

Neulich war es mal wieder soweit und ich habe mir geholfen, indem ich ein wenig Musik anmachte. Ich kann mich besser bei Musik konzentrieren als bei unmelodischem Gebrabbel. Es endete allerdings damit, dass besagte Kollegin nach Beendigung ihres Telefonats in mein Büro kam, um etwas rüber zu bringen und prompt sagte: "Was für schreckliche Musik! Gut, dass ich die drüben nicht höre!" Was sie also rüberbrachte war genaugenommen ein Fettnapf, in den sie dann auch gleich trat. Zumal ich gerade "Kings of Leon" hörte und da verstehe ich ja keinen Spaß.
"Ich habe die Musik nur an, weil ich sonst Sie höre." konnte ich daher nicht umhin zu antworten. Und da es wohl gerade nicht danach klingt, muss ich an dieser Stelle hinzufügen, dass ich gegen meine Kollegin gar nichts habe. Aber eben gegen dünne Wände. Da wir aber nunmal genötigt sind, zwischen dünnen Wänden zu hausen und zu arbeiten, finde ich, sollte man das, was die Wand nicht an Lärmschutz bietet, in seine selbstgemachten Dezibel einkalkulieren.

Meine Kollegin aber meinte: "Ich mach doch gar nix!"

Es ist eine Merkwürdigkeit, wie dezent Leute sich selbst empfinden, wenn sie es gar nicht sind.
Bestes Beispiel dafür ist ja auch mein schon öfters erwähnter Nachbar.
Neulich hatte er einige Zeit lang Besuch von einem Pärchen. Laute Musik sowie die Geräusche des poppenden Pärchens (ich nehme an, sie waren dabei nur zu zweit, genau weiß ich es aber nicht) haben mich erst zu Ohrenstöpseln greifen, dann auf die Couch im Wohnzimmer umziehen und in der Nacht darauf zu meinem Freund flüchten lassen. Ich wollte tolerant sein wenn Gäste da sind und niemandem den Spaß verderben. Aber diese Toleranz war Perlen vor die Säue wie ich an den darauffolgenden Tagen feststellen mußte...

Eines Abends, ich saß konzentriert am Rechner, vibrierte mein Schreibtisch unter meinen Ellenbogen von dem Bass in der Musik meines Nachbarn. Miese RnB-Musik noch dazu.
Ich ging also rüber, klingelte und fragte ihn freundlich, ob er mal zwei Minuten Zeit für mich hätte. Er bat mich rein, aber ich bat ihn zu mir rüber und clever wie er ist, begriff er sofort, dass ich ihm zeigen wollte, wie laut seine Musik bei mir ankommt, bzw. wie dünn die Wand zwischen uns ist. Es ging hier nur noch um den Beweis, denn geschildert hatte ich es ihm schon oft genug, allein er glaubte mir nicht recht.
An diesem Abend stand er jedoch recht zerknirscht tuend in meinem Flur, beteuerte, dass er das Ausmaß ja nicht geahnt hätte und entschuldigte sich vielmals. Ich erläuterte ihm, dass ich in den letzten Tagen schon rücksichtsvoll ausgewichen sei, wegen seines (gedacht: poppenden) Besuchs und er grinste schief und meinte (offenbar verstehend), dass er auf das was sein Besuch mache, nun mal keinen Einfluss hätte. Bevor er ging, bat er mich, ruhig immer zu klingeln, wenn er mal wieder nicht merken würde, dass er zu laut ist. Soweit so gut. Ich war voller Hoffnung für eine ruhige Zukunft....

Nur 5 Stunden später, also mitten in der Nacht, wurde ich davon geweckt, dass mein Nachbar mit seinem Pärchenbesuch in die Wohnung nebenan einfiel, offenbar von einem feuchtfröhlichen Abend zurückkehrend. Es wurde laut gelacht, schlechte RnB-Musik aufgedreht, mitgesungen, rumgepoltert.
Ich versuchte erst gar nicht, diesen total ignoranten Haufen zu Ruhe zu bewegen. Was hätte ich bei dem außergewöhnlichen Kurzzeitgedächtnis meines Nachbarn schon erreichen können? Ich hätte geklingelt, gemeckert, wie schon so oft, und wäre anschließend - wenn es doch laut geblieben wäre, weil dieser debile Egozentriker bereits wieder vergessen hätte, dass ich auch noch hier wohne - nur noch entsetzter darüber gewesen, wie asozial manche Menschen sind.

Also zog ich ins Wohnzimmer um, wo ich dann zunächst noch eine Weile wach lag und mich grämte. Grämte im Sinne von "wachliegen und im Kopf alle möglichen Sätze formulieren, mit dem man es dem Ursprung des Grams so richtig zeigt", im Sinne von "Beschimpfungen erdenken, die man doch nie sagen würde und auch nicht bloggen", im Sinne von "vor eigenem Kopfgezeter nicht einschlafen können und deshalb noch wütender werden".

Ich erwachte zeitig am nächsten Morgen, weil man eben auf einer Couch nicht unbedingt so gut nächtigt, wie im eigenen Bett. Und obwohl ich keine Lust auf Krieg hatte, auf "Auge um Auge, Zahn um Zahn", obwohl ich kein Bedürfnis hatte auf gleiches Niveau zu sinken, verschaffte es mir ein wenig Erleichterung, morgens um acht eine Musik auszuwählen, die den Menschen auf der anderen Seite der dünnen Wand bestimmt nicht gefallen würde und diese besonders laut zu hören - und wenn ich mir selbst Ohrenstöpsel reinstopfen müßte. Ich entschied mich für eine 80er-Jahre-CD aus dem untersten Fach und begann mit Huey Lewis and the News und "The power of love", um auch gleich eine Botschaft rüberzubringen. Dazu hängte ich Wäsche ab und verstaute sie geräuschvoll in dem Kleiderschrank der an der dünnen Wand zum Schlafzimmer meines Nachbarn steht. Beim Saugen danach hatte ich schon fast wieder gute Laune. Und tatsächlich habe ich zum ersten Mal wirklich Rache verübt. Nicht im Spiel, nicht im Scherz, sondern "in echt". War lecker. Ich mag ja Süßes.
Und noch dazu war es danach einige Tage lang still...

...to be continued...

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