Sonntag, 22. März 2020

Ich war noch niemals in .... Quarantäne

Ich pflege ein kleines Ritual hinsichtlich meiner Geburtstage. Es besteht darin, etwas zu tun, das ich noch nie getan habe. Nicht unbedingt etwas, das ich schon immer machen wollte und auch nicht unbedingt etwas sehr Außergewöhnliches. Aber etwas Neues. In der Vergangenheit war das zum Beispiel mal eine Schiffsrundfahrt auf dem Main, weil man als Tourist zu solchen Unternehmungen neigt, dergleichen aber eher selten in der eigenen Stadt macht. Woran ich mich erinnere ist, dass es für März überraschend sonnig und warm war und ich mir einen Sonnenbrand im Gesicht zugezogen habe. Das war dann das eigentlich Neue, etwas, das ich bisher an meinem Geburtstag noch nie erlebt hatte.
Besonders gerne verreise ich an meinem Geburtstag auch. Damit war dem Ritual in der Vergangenheit schon genüge getan, da ich einfach festhalten konnte: Ich war noch niemals in London, ich war noch niemals in Brüssel, ich war noch niemals in Venedig... Das Ritual führte in Verbindung mit dem Reisen zu besonders bleibenden (also leicht zu merkenden) Erinnerungen. Ich war an meinem Geburtstag zum ersten Mal im Tower und sah wo Anne Boleyn geköpft wurde. Ich war an meinem Geburtstag im Atomium und habe in einem belgischen Café zum ersten Mal Macarons gegessen. Ich habe an meinem 40. Geburtstag an einem Kanal in der Stadt der Lagunen meinen ersten Espresso überhaupt getrunken und seitdem nicht mehr damit aufgehört (normalen Kaffee trinke ich bis heute nicht).
Wie gesagt sind es oft aber auch bescheidenere Unternehmungen. Letztes Jahr fand der Book Club statt, den ich zwar regelmäßig besuche, aber eben noch nie an meinem Geburtstag hatte. Anschließend habe ich in einer Konditorei Torte gekauft, anstatt selbst zu backen, auch das war neu.

Dieses Jahr ist alles neu und ich muss mir nichts ausdenken oder mich für etwas entscheiden. Mein diesjähriger Geburtstag wird sich als der Corona-Geburtstag in die Erinnerungen einreihen. Hoffentlich nur als der (eine und nicht erste) Geburtstag in Zeiten von Corona und nicht als der Geburtstag mit Corona (und damit meine ich nicht primär eine eigene Infektion). Es stört mich nicht, dass es kein geselliger Geburtstag sein wird. Ich kann mich wunderbar zuhause beschäftigen. Derzeit male ich an einem Bild, das ich meiner Schwester zu ihrem 50. Geburtstag im August schenken will. Ich hoffe, dass sie ihn vielleicht doch wird groß feiern wird können, wie sie es eigentlich vorhat. Das ist in fünf Monaten und keiner weiß, wie es bis dahin sein wird.

Ich wollte dieses Jahr an meinem Geburtstag mit einer Freundin auf dem Elbow-Konzert in Amsterdam sein, aber auch dieser Verlust ist inzwischen verschmerzt. Bloß ein Luxusproblem. Stattdessen trinke ich vielleicht meinen ersten Kaffee oder gehe waghalsig raus auf eine Runde Corona-Jump'n'Run. Die Regeln mögen nicht besonders spannend klingen, aber setzt dem Wort "Spannung" einfach ein kleines "An" vor:
- Komme niemandem näher als zwei Meter
- Finde offene Läden
- Besorge folgende Gegenstände: Geburtstagskuchen
  (wahlweise: Klopapier, Nudeln, Mehl, Desinfektionsmittel).
- Fasse nichts an außer diese Gegenstände und das für den Bezahlvorgang Notwendige
- Bedanke Dich ordentlich bei der Kassiererin oder dem Kassierer
- Werfe böse Blicke auf Leute, die nicht in die Armbeuge husten
- Springe über Leute, die Dir zu nahe kommen (mindestens zwei Meter über deren Köpfe)
- Schüttele den Kopf über Jugendliche, die sich in Gruppen zusammenrotten und eine Flasche irgendwas rumgehen lassen

Vorschläge für weitere Quests werden gerne entgegen genommen.


Zum Geburtstag wünsche ich mir übrigens, dass Ihr zuhause und gesund bleibt. Und natürlich, dass nächstes Jahr um die Zeit alles wieder gut oder zumindest besser ist.


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